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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0306

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290 Fünfter Abschnitt. Das Retabel

haltene Abbildung desselben beweist5. Das dritte Retabel ließ Wibald für den Hoch-
altar der Abteikirche zu Malmedy anfertigen. Es bestand aus vergoldetem Silber
und enthielt die Darstellungen Christi, die vier Evangelisten und die zwölf Apostel.
1587 wurde es eine Beute des raublustigen Martin Schenk und seiner Horden3.

Zu Angers stiftete Bischof Normand de Doue (1149—1155) ein Retabel aus ver-
goldetem Silber für den Hochaltar seiner Kathedrale. Es zeigte Darstellungen aus
dem Marienleben, fm 18. Jahrhundert wurde es samt dem zugehörigen Frontale
von Bischof Jean de Vaugirault verkauft, um aus dem Erlös neues Chorgestühl
anzuschaffen*. Der Kathedrale zu Bourges schenkte Erzbischof Wulgrin (f 1130)
ein Retabel aus vergoldetem Silber, über dessen Beschaffenheit jedoch ebensowenig
nähere Nachrichten vorliegen, wie über das Silberretabel des Dreifaltigkeitsaltares
in St-Vaast zu Arras, von dem wir durch ein Inventar des 12. Jahrhunderts Kunde
haben3. Eine silberne vergoldete Altartafel im Dom zu Osnabrück, die wohl auch
noch bis in das 12. Jahrhundert hinaufreichte, wurde 1633 zerstört und der aus ihr
gewonnene Silberertrag veräußert, damit das Kapitel seinen Anteil an der der Stadt
infolge ihrer Kapitulation vom 2. September jenes Jahres auferlegten Kriegskontri-
bution bezahlen konnte8.

Ein herrliches Retabel des 12. Jahrhunderts schmückte bis 1760 den Hochaltar
der Kathedrale zu Sens. Es war aus Gold gemacht, 3 m lang und 1,13 m hoch. Man
hat es als eine Schöpfung des Erzbischofs Sevinus (977—991), ja als karolingisch
bezeichnet', doch mit Unrecht. Die Abbildung, die sich von ihm erhalten hat, ist
allerdings zu ausdruckslos, als daß sie uns durch den SÜI des Bildwerkes und Orna-
ments zuverlässige Auskunft über seine Entstehungszeit zu geben vermöchte, doch
fehlt es nicht an anderen Momenten, welche keinen Zweifel lassen, daß es erst im
12. Jahrhundert geschaffen wurde. Es sind 1. der ausgesprochen leoninische Cha-
rakter der zahlreichen Inschriften, welche alle Darstellungen begleiten, 2. die Glie-
derung des Mittelfeldes, welche durchaus auf das 12. Jahrhundert hinweist und erst
in diesem ihre Parallelen hat8, 3. die Figur der thronenden allerseligsten Jungfrau
mit der Lilie in der erhobenen Rechten, eine Darstellung, die ihr Gegenstück auf
manchen Siegeln des 12. und 13. Jahrhunderts findet, endlich 4. die außerordentliche
Länge des Retabels, die einen Altar voraussetzt, wie ihn die karolingische Zeit
und das 10. Jahrhundert noch nicht kannten, sondern erst das 12. Jahrhundert zu
schaffen begann. Das Retabel wird aus der Zeit der Erbauung der heutigen Kathe-
drale, d. i. aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, stammen.

Das Retabel gliederte sich in drei Abteilungen. Die mittlere enthielt in einem
über Eck gestellten Quadrat die Darstellung der Majestas in reich entwickelter vier-
paßartiger Umrahmung, in den Zwickeln des Quadrates Engelsfiguren in dreiviertel-
kreisförmiger* Einfassung. Die seitlichen Abteilungen waren durch Leistenwerk in
je fünf Felder aufgeteilt. Das mittlere, das die Form eines Rundmedaillons hatte,
umschloß rechts ein Bild der thronenden Jungfrau, Hnks das des thronenden Täufers.
Von den vier anderen Feldern zeigten beiderseits die zwei an die mittlere Abteilung
anstoßenden die Figuren der schreibenden Evangelisten nebst ihren Symbolen, die
zwei an den Ecken gelegenen aber Darstellungen aus der Geschichte des hl. Ste-
phanus. In den beiden oberen Ecken war die Predigt des hl. Stephanus vor dem
hohen Rat dargestellt, in den beiden unteren die Steinigung des Heiligen. Oben sah
man links den predigenden Erzdiakon, rechts den hohen Rat, unten die steinigenden

■ Sie wurde 1882 im Staatsarchiv in einem ä Dehaisnes, Docum. 45.

Bündel von Akten entdeckt, die sich auf einen i Mithofl VI, 109.

von der Abtei Stavelot 1661 geführten Prozeß - c___ . , _, _ .-„ V

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* Heibig a. a. O. 61. « Vgl. z. B. G. Swarzenski, Die Salzburger

* Bullet, monum. XLVIII (1882) 374; Roh. Malerei (Leipzig 1908) TB. 40: Miniatur aus

II, 48. der Gumpertsbibel zu Erlangen (ca. 1200).
 
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