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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0332

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316 Fünfler Abschnitt. Das Retabel

Wo es sich heule befindet, ist mir nicht bekannt. Ein Retabel mit der Darstellung
der Krönung Maria, das auf einem Nebenaltar der Elisabelhkirche zu Marburg steht,
birgt in seiner Predella eine Terrakottafigur der Schmerzensmutter.

4. Holz und Stein als Material der Retabeln nach-
mittelalterlicher Zeit. Beschaffenheit des Bildwerkes
derselben. In Italien kam es schon im 15. Jahrhundert, wie bereits
gesagt wurde1, zu einer ausgiebigeren Benutzung von Stein als Material zur
Herstellung des Retabels. Im 16. Jahrhundert steigerte sich dieselbe noch.
Als aber dann an die Stelle der Bildertafel die Ädikula trat, war es vornehm-
lich Stein, woraus man dort nun das Retabel herstellte.

Begreiflich übrigens; für die mächtigen architektonischen Aufbauten, wie sie
die Retabeln der Hochrenaissance und des Barocks darstellten, mit ihren Unterbauten,
Sockeln, Säulen, ihrem Gebälk, ihrem Giebel, ihrer portalartigen Bildnische, war Stein
zweifelsohne das passendste und geeignetste Material. Zudem mangelte es keines-
wegs an brauchbarem Stein; war doch Italien sogar reich an den besten und
schönsten Marmorarten. Was aber der italienische Boden nicht gab, das boten
an manchen Orten die Ruinen aus der römischen Kaiserzeit. Holz war nur ein
Surrogat für den Stein. Man behalf sich mit ihm meist nur da, wo passender Stein
nicht leicht zu haben war oder wo sonstige Umstände die Verwendung von Holz
anrieten. Auch war wohl hier und da örtlicher Brauch für die Bevorzugung des
Holzes entscheidend, wie beispielsweise zu Bologna, wo bei den Retabeln aus der
Zeit der Renaissance und des Barocks durchaus Holz vorherrscht.

Ein anderer Ersatz für Stein war Stuck. Er kam besonders unter der Herr-
schaft des Spätbarocks zur Verwendung und war namentlich in Süditalien als
Material für Retabeln sehr beliebt, weil er es leicht machte, Sockel, Säulen, Gebälk
und Bekrönung des Retabels mit einer dichten Fülle von Ornament zu überziehen,
wie es dem auf üppigen Schmuck bedachten Sinn des Süditalieners so ganz entsprach.
Eine sehr große Zahl prunkvoller, mit barockem Ornament über und über bekleideter
Stuckretabeln sieht man in den Kirchen Lecces, namentlich im Dom, in der Thealiner-
kirche und in Gesü (Tafel 317). Auch zu Taranto, Groltaglie und in anderen Orten
Süditaliens trifft man in den Kirchen manche durch die Überfülle vordringlichsten
Schmuckes auffallende Beispiele an. In Norditalien findet iaan beispielsweise manche
aus Stuck hergestellte Retabeln in den Kirchen Paduas, doch sind dieselben hier,
wie überhaupt im Norden, weniger mit Ornament überladen als im Süden der
Halbinsel.

Das Bildwerk beschränkt sich bei dem Retübel der Hochrenaissance und des
Barocks sehr oft auf eine einzige große Darstellung. Sie besteht bald in einer Statue,
einer Gruppe oder, wenngleich seltener, einer Reheftafel aus Holz, Stein oder Stuck,
bald, und zwar am gewöhnlichsten, in einem Ölgemälde, das um so mehr seinem
Zweck entspricht, je kolossaler es ist.

In Deutschland bringt das 16. Jahrhundert bezüglich des Materials
des Retabels wenig Änderung. Nach wie vor wurde dieses dort vornehmlich
aus Holz, selten aus Stein hergestellt.

Selbst der Umstand, daß sich seit der Spätzeit des Jahrhunderts von Italien
her immer mehr in Deutschland beim Retabel die Ädikula form einbürgerte, hatte
auf die Wahl des Materials desselben nur geringen Einfluß. Auch für den neuen
Retabeltypus benützte man gewöhnlich Holz. Marmor und sonstige feinere Stein-
sorlen gab es ja auch in Deutschland wenig; ausländischen besseren Stein für die
Retabeln zu beschaffen, fehlten unter den wenig günsfigen wirtschaftlichen, geldüchcn

1 Vgl. oben S. 311.
 
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