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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0333

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Drittes Kapitel. Material des Retabels 317

und Verkehrsverhällnissen, in denen man sich bis zum Ende des IG. Jahrhunderts
befand, meist Mittel und Möglichkeit; das Retabel in Stuck auszuführen, war aber
noch nicht üblich geworden. Zudem gewährte Holz vor Stein größere Leichtigkeit,
das Retabel reich mit Ornament auszustatten, wie man das vom ausgehenden Mittel-
alter her gewohnt war.

Ein Wandel tritt erst um das fetzte Viertel des 17. Jahrhunderts ein. Seitdem
werden Retabeln aus Marmor und besonders solche aus Stuckmarmor
häufiger. Im 18. Jahrhundert entstehen aus beiden Materialien zahlreiche Retabeln.
namentlich aus Stuckmarmor, der mit dem Vorzug größerer Billigkeit und leichterer
Bearbeitbarkeit die Pracht wirklichen Marmors verband und dazu einen reichsten
Wechsel in der Farbe wie in den Marmorarien ermöglichte. Jedoch blieb auch jetzt
noch immer Holz das Material, aus dem man in Deutschland vornehmlich die Altar-
kolosse jener Zeit auftürmte.

Als Altarbild erhielten die deutschen Renaissance- und Barockretabeln wie die
gleichartigen italienischen gewöhnlich ein auf Leinwrand ausgeführtes großes Öl-
gemälde, zu dem sich oft ein zweites kleineres im bekrönenden Aufsatz gesellte. In
Schnitzerei gearbeitetes Bildwerk begegnet uns am häufigsten in süddeutschen
Retabeln, die sich sogar nicht selten durch eine überraschend große Fülle geschnitz-
ten Figurenwerkes auszeichnen". Hatten sich, wie es vielfach der Fall war, beide
Künste, Malerei und Schnitzerei bzw. Bildhauerei, bei der bildlichen Ausstattung des'
Renaissance- und Barockretabeln betätigt, so bestand das Hauptbild stets aus einem
Ölgemälde, alles Nebenbildwerk aber, abgesehen etwa von der Darstellung, welche
die Bekrönung füllte und oft ebenfalls ein Gemälde war, aus Schnitzwerk.

In Österreich hielt man es in nachmitteialterlicher Zeit hinsichtlich
des Materials der Altaraufsätze und der Art ihres Bildwerkes ähnlich wie in
Süddeutschland. In Belgien brachte das 17. und 18. Jahrhundert auf-
fallend viele Steinretabeln hervor.

Es waren fast ausschließlich Marmorretabeln. Die Kirchen zu Namur, Brüssel,
Hecheln, Löwen, Antwerpen, Brügge bieten noch jetzt eine Fülle von Beispielen.
Der Reichtum an Marmor, dessen sich Belgien erfreute, erleichterte und beförderte
in hohem Maße die Errichtung von Marmorretabeln. Im 17. Jahrhundert herrschten
aus schwarzem und weißem Marmor gemachte Retabeln vor. Als Altarbild diente
auch bei Marmorretabeln der Regel nach ein Ölgemälde, das Bildwerk, welches den
bekrönenden Aufsatz schmückte, war dagegen am häufigsten in Bild hauerar bei!,
seltener in Malerei ausgeführt, gleichviel ob das Retabel aus Holz oder Stein
bestand. Sonstige figürliche Darstellungen, mit denen die Relabcl jedoch meist nur
in sehr beschränktem Maße ausgestattet zu werden pflegten, waren natürlich immer
vom Bildschnitzer oder Bildhauer gearbeitet.

In S p a n i e n trat seit etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts als Material
des Retabels Stein gegenüber dem Holz für lange Zeit stark in den Hinter-
grund. Es setzte damals ein wahrer Enthusiasmus für bemaltes plastisches
Figurenwerk ein; schon damit war die Bevorzugung von Holz ohne weiteres
gegeben. Es kam hierfür aber noch ein zweites Moment in Betracht, die schon
in der späten Gotik beginnende Neigung, das Retabel möglichst hoch auf-
zubauen und zu dem Ende bei ihm ein Geschoß auf das andere zu türmen.

' Man vergleiche die zahlreichen lielüiicl- den „KurisuleiiknuilerrL Bayerns" wiedergege-
bauten aus der Zeit des Barocks, die bei Rieh. ben sind, desgleichen die vielen Retabeln bei
Hoflmann, Der Altarbau im Erzbistum Mün- Fr. Gysi, Die Entwicklung der kirchlichen Ar-
chen und Freising (München 1905) und Baye- ehitektnr in der deutschen Schweiz im 17. und
rtsche Altarbaukunst (München 1Ü2J) sowie in 18. Jahrhundert (Aarau 1914).
 
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