Siebentes Kapitei. Die Ikonographie des Retabels 447
Ausgiebige Zyklen alttestamentlicher Bilder begegnen uns nur in wenigen
Fällen, so auf dem Retabel im Bischöflichen Museum zu Vieh, auf den Flü-
geln des Retabels der Nikolaikirche zu Kiel, auf dem Grabower Schrein im
Museum zu Hamburg, auf dem Schrein des Hochaltares zu Doberan und
dem Retabel zu Klosterneuburg.
Das Retabel zu Vieh ist jetzt in seine einzelnen Tafeln zerlegt. Die auf ihnen
dargestellten alttestamentlichen Szenen sind die Erschaffung der Eva, der Sünden-
fall, die Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel, der brennende Dornbusch
und der Durchgang durch das Rote Meer. Zahlreicher waren die alttestamentlichen
Darstellungen auf dem Grabower Retabel. Sie befanden sich auf der Außenseite
seiner inneren und auf der Innenseite seiner äußeren Flügel, sind aber heute nicht
mehr vollständig, da die äußeren Flügel verlorengegangen sind. Die jetzt noch
vorhandenen Darstellungen heben mit dem vierten Schöpfungstage an, schildern
diesen sowie den fünften und sechsten Schöpfungstag, die Erschaffung der Eva,
Gottes Gebot für die Stammeltern, den Sündenfall, Abrahams Opfer, Esaus Aus-
sendung zur Jagd und Jakobs Segen. Die verschwundenen Szenen umfaßten die
drei ersten Schöpfungstage sowie auch wohl die Vertreibung aus dem Paradiese,
den Brudermord und Melchisedechs Opfer. Was sonst noch auf den Flügeln wieder-
gegeben war, bestand in neu testamentlichen Darstellungen, deren erste die Ver-
kündigung bildete, jedoch waren die neutestamentlichen und alttestamentlichen Bilder
nicht zueinander in Parallele gesetzt5. Die Innenseite der äußeren und die Außen-
seite der inneren Flügel des Retabels der Nikolaikirche zu Kiel enthalten in sech-
zehn Feldern ebenso viele handwerksmäßig ausgeführte Bilder aus der Geschichte
Xoes, Isaaks, Jakobs und Josephs3.
Schön ist der Parallelismus zwischen den Darstellungen aus dem Neuen und
dem Alten Bunde auf dem oberen älteren Teil der Flügel des Hocha harsch rein es
zu Doberan (Tafel 261)* zum Ausdruck gekommen. Die Bilder aus dem Neuen Testa-
ment sind unter den Blendarkaden der oberen Reihe angeordnet, diejenigen aus dem
Alten unter den Arkaden der unteren. Jene beginnen mit Johannes d. T., der auf
das Lamm Gottes hinweist. Es folgen die Verkündigung, die Geburt, die Darstellung
im Tempel, die Geißelung, die Kreuztragung und die Kreuzigung, den BeschlufJ macht
der Auferstandene. Unter der Figur des Täufers steht heute Eva, eine mißglückte
Restauration, da ihr ursprünglich «nten wohl ein Prophet, Jeremias oder Isaias oder
Samuel entsprach. Unter der Szene der Verkündigung sehen wir jetzt Sara und
den Propheten Ezechiel, auf dessen Spruchband die Worte stehen: Posta clausa erit
et prineeps ipse sede(bit) (c. 42, 2). An Stelle von Sara befand sich früher wohl
Gedeon mit dem Vließe. Die Figur ist indessen verlorengegangen und dann irrig
durch Sara ersetzt worden. Das typologische Gegenstück zur Geburt des Herrn
bildet Jahves Erscheinung im Dornbusch, der brannte, aber im Feuer unversehrt
Wieb, eine Hindeutung auf die in der Geburt des Heilandes unversehrt gebliebene
Jungfräulichkeit Marias. Der Aufopferung des Jesuskindes entspricht in der unteren
Reihe Samuels Darbrinjung, der Geißelung das Quellwunder, bei dem Moses er-
frischendes Wasser aus dem Felsen schlug, und der Dulder Job, der von seinem
Weibe gescholten wird, der Kreuztragung Abrahams und Isaaks Gang nach Moriah.
Unter der Kreuzigungsgruppe, die sich aus der Schmerzensmutter und dem Gekreu-
zigten zusammensetzt, hat der Künstler den greisen Simeon, der noch zum Alten
Bunde gehört, und Moses mit der ehernen Schlange angebracht, unter dem Auf-
erstandenen Samson, der das Tor von Gaza fortträgt. In knappster Form und mehr
* Abb. in Kd. des Großh. Mecklenburg- * Münzenberger-Beissel I, 4S und Tfl. 5.
Schwerin HI, 187. Abb. der Flügel allein in Kd. des GroGb.
1 Abb. bei A. MaUMi, Tfl. 15. Mecklenburg-Schwerin III, 594 f.
Ausgiebige Zyklen alttestamentlicher Bilder begegnen uns nur in wenigen
Fällen, so auf dem Retabel im Bischöflichen Museum zu Vieh, auf den Flü-
geln des Retabels der Nikolaikirche zu Kiel, auf dem Grabower Schrein im
Museum zu Hamburg, auf dem Schrein des Hochaltares zu Doberan und
dem Retabel zu Klosterneuburg.
Das Retabel zu Vieh ist jetzt in seine einzelnen Tafeln zerlegt. Die auf ihnen
dargestellten alttestamentlichen Szenen sind die Erschaffung der Eva, der Sünden-
fall, die Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel, der brennende Dornbusch
und der Durchgang durch das Rote Meer. Zahlreicher waren die alttestamentlichen
Darstellungen auf dem Grabower Retabel. Sie befanden sich auf der Außenseite
seiner inneren und auf der Innenseite seiner äußeren Flügel, sind aber heute nicht
mehr vollständig, da die äußeren Flügel verlorengegangen sind. Die jetzt noch
vorhandenen Darstellungen heben mit dem vierten Schöpfungstage an, schildern
diesen sowie den fünften und sechsten Schöpfungstag, die Erschaffung der Eva,
Gottes Gebot für die Stammeltern, den Sündenfall, Abrahams Opfer, Esaus Aus-
sendung zur Jagd und Jakobs Segen. Die verschwundenen Szenen umfaßten die
drei ersten Schöpfungstage sowie auch wohl die Vertreibung aus dem Paradiese,
den Brudermord und Melchisedechs Opfer. Was sonst noch auf den Flügeln wieder-
gegeben war, bestand in neu testamentlichen Darstellungen, deren erste die Ver-
kündigung bildete, jedoch waren die neutestamentlichen und alttestamentlichen Bilder
nicht zueinander in Parallele gesetzt5. Die Innenseite der äußeren und die Außen-
seite der inneren Flügel des Retabels der Nikolaikirche zu Kiel enthalten in sech-
zehn Feldern ebenso viele handwerksmäßig ausgeführte Bilder aus der Geschichte
Xoes, Isaaks, Jakobs und Josephs3.
Schön ist der Parallelismus zwischen den Darstellungen aus dem Neuen und
dem Alten Bunde auf dem oberen älteren Teil der Flügel des Hocha harsch rein es
zu Doberan (Tafel 261)* zum Ausdruck gekommen. Die Bilder aus dem Neuen Testa-
ment sind unter den Blendarkaden der oberen Reihe angeordnet, diejenigen aus dem
Alten unter den Arkaden der unteren. Jene beginnen mit Johannes d. T., der auf
das Lamm Gottes hinweist. Es folgen die Verkündigung, die Geburt, die Darstellung
im Tempel, die Geißelung, die Kreuztragung und die Kreuzigung, den BeschlufJ macht
der Auferstandene. Unter der Figur des Täufers steht heute Eva, eine mißglückte
Restauration, da ihr ursprünglich «nten wohl ein Prophet, Jeremias oder Isaias oder
Samuel entsprach. Unter der Szene der Verkündigung sehen wir jetzt Sara und
den Propheten Ezechiel, auf dessen Spruchband die Worte stehen: Posta clausa erit
et prineeps ipse sede(bit) (c. 42, 2). An Stelle von Sara befand sich früher wohl
Gedeon mit dem Vließe. Die Figur ist indessen verlorengegangen und dann irrig
durch Sara ersetzt worden. Das typologische Gegenstück zur Geburt des Herrn
bildet Jahves Erscheinung im Dornbusch, der brannte, aber im Feuer unversehrt
Wieb, eine Hindeutung auf die in der Geburt des Heilandes unversehrt gebliebene
Jungfräulichkeit Marias. Der Aufopferung des Jesuskindes entspricht in der unteren
Reihe Samuels Darbrinjung, der Geißelung das Quellwunder, bei dem Moses er-
frischendes Wasser aus dem Felsen schlug, und der Dulder Job, der von seinem
Weibe gescholten wird, der Kreuztragung Abrahams und Isaaks Gang nach Moriah.
Unter der Kreuzigungsgruppe, die sich aus der Schmerzensmutter und dem Gekreu-
zigten zusammensetzt, hat der Künstler den greisen Simeon, der noch zum Alten
Bunde gehört, und Moses mit der ehernen Schlange angebracht, unter dem Auf-
erstandenen Samson, der das Tor von Gaza fortträgt. In knappster Form und mehr
* Abb. in Kd. des Großh. Mecklenburg- * Münzenberger-Beissel I, 4S und Tfl. 5.
Schwerin HI, 187. Abb. der Flügel allein in Kd. des GroGb.
1 Abb. bei A. MaUMi, Tfl. 15. Mecklenburg-Schwerin III, 594 f.