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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0554

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538 Fünfter Abschnitt. Das Retabel

biack the saroe?8. Im Inventar des Nachlasses des Wilhelm Duffield, Kanonikus zu
York und Beverley, erscheint er unter der nur hier nachweisbaren Bezeichnung
vestis pro altari supra neben einem frontellum eiusdem panni (Überhang)
mit zugehöriger vestis subtus (Antependium): Vestis pro altari supra, 1 frontell
ejusdem panni cum veste subtus, 2 cortinae de rubeo serico, 3 altarclothes".

Der Name r e p a 1 i, den der Behang im Inventar Martins I. von Ara-
gonien führt, bildet das Gegenstück zu pali (= pallium), Antependium, und
ist entstanden aus retro pallium.

Die oft sehr eingehenden Angaben, welche uns die französischen, flämi-
schen und englischen Inventare über den Behang machen, den man oberhall)
der Rückseite des Altares als Ersatz und an Stelle eines Retabels anbrachte,
sind übrigens nicht bloß lehrreich und interessant, weil sie uns die mannig-
fachen Namen desselben verraten, sondern auch weil sie wertvolle Aufschlüsse
über seine Beschaffenheit und seine Ausstattung enthalten, Aufschlüsse, die
um so wichtiger und willkommener sind, als sich von derartigen Behängen
aus dem Mittelalter soviel wie nichts erhalten hat.

Die InYentare belehren uns auch, daß man gerade den das Retabel vertretenden
Behang vor dem ihm entsprechenden Antependium durch kostbare und reichere
Figurenstickereien auszuzeichnen liebte. So zeigte das Antependium, welches das
Gegenstück zu dem mit einer Kreuzigungsgruppe und vier Aposteln bestickten dotier
der Ste-Chapeile zu Bourges"* bildete, nur eine Darstellung der Verkündigung
zwischen den vier Evangelistensymbolen. Das vorhin erwähnte Antependium im
Inventar der Hungerfordkapelle in der Kathedrale zu Salisbury war bloß mit dem
Wappen der Stifterin bestickt, während der Rückbehang des Altares das Bild der
Gottesmutter enthielt. Das subfrontale (Antependium) im Testament Walter Skir-
laws von Durham wird als planum charakterisiert, das zugehörende frontale superlor
wies dagegen eine Kreuzigungsgruppe auf. Übrigens ist es leicht begreiflich, daß
man den über dem Altar angebrachten Rückbehang bezüglich der Ausstattung vor
dem Antependium bevorzugte. Er befand sich ja gleich dem Retabel, dessen Ersatz
er war, in erhöhter, weithin sichtbarer Stellung. Auch war er nicht wie das Ante-
pendium durch den am Altar tätigen Priester verdeckt, so daß er aus doppeltem
Grunde mehr als dieses zur Geltung kam.

Besonders beliebt war es den Inventaren zufolge, den Behang mit einer Dar-
stellung des Gekreuzigten zu versehen. Sie wird häufig als Schmuck desselben er-
wähnt, wie sie ja auch als solcher vortrefflich zum Charakter des hl. Opfers paßte,
welches auf dem Altar dargebracht wurde.

Sehr kostbare Behänge werden im Inventar der KapeUe Philipps des Guten
(1420) aufgeführt und beschrieben58. Einer derselben — ersichtlich eine griechische
Arbeit — galt als das Werk der ersten christlichen Kaiserin. Er enthielt Szenen
aus dem Leben und Leiden des Herrn, in der Mitte eine Darstellung seiner Geburt.
Unten zog sich ein mit zehn Prophetenbildern geschmückter Fries hin. Nimben und
Kleider der Figuren waren mit Perlen eingefaßt; außerdem war der ganze Grund
mit Perlen besät. Ein zweiter Behang stellte ein Allerheiligenbild dar. Im Mittel-
feld thronte Christus; üher dem Heiland war ein Cherub, unter ihm ein Seraph
dargestellt Die beiden Seitenabteilungen waren in drei Zonen geschieden. In der
oberen sah man die Apostel, in der zweiten hl. Märtyrer, in der dritten hL Bekenner.
Alles Figurenwerk war mittels Gold in Hochstickerei ausgeführt. Rings um den
Behang herum lief eine mit großem Blattwerk reich verzierte Borte. Ein dritter

" The Wiltshire Magazine XI (1809) 334. "' Vgl. oben S. 16 536.

" S. S. Testamente Eborac. III (London Ja Leon de Laborde, Les ducs de Bourgogne

1S64) 138. II (Paris 1851) 243.
 
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