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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0557

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Zehntes Kapitel. Entstehung des Retabels 541

ausgestattet werden können. Wenn dies trotzdem nicht geschah, ja wenn das
Retabel selbst im 11., 12. und 13. Jahrhundert, in denen der Priester nur mehr aus-
nahmsweise hinter dem Altar stehend zelebrierte, nur sehr langsam und nur erst
allmählich Verbreitung gewann, so ist das ein Beweis, daß der entscheidende Grund
für das späte Auftreten des Retabels in etwas anderem zu suchen ist als in der
Stellung des Priesters, und daß zwischen jenem und dieser höchstens ein sehr ent-
fernter Zusammenhang bestand. Als es noch Brauch war, hinter dem Altar stehend
zu zelebrieren, mußte man es freilich unterlassen, diesen mit einem Retabel zu ver-
sehen, weil das mit der Stellung des Priesters unverträglich gewesen wäre und das
Zelebrieren verhindert hätte; im 11., 12. und 13. Jahrhundert blieben die meisten
Altäre noch ohne Retabel, obschon die Stellung des Zelebrans ihm nun in keiner
Weise mehr im Wege stand, weil ein solches auf denselben anzubringen noch nicht
allgemeine Gewohnheit geworden war.

In keinem Zusammenhang mit dem späten Auftreten des Retabels steht die
Stellung der bischöflichen Cathedra, die man freilich auch für dasselbe verantwort-
lich gemacht hat. Wo dieselbe hinter dem Hochaltar ihren Platz hat, konnte aller-
dings dieser nicht wohl mit einem Retabel ausgesfatlet werden, da ein solches den
Blick des Bischofs auf den Altar gehindert hätte. Allein sie befand sich schon in
karolingischer und otfonischer Zeit gerade wie jetzt statt hinfer dem Altar auch
wohl zu dessen Rechten, wie aus dem 2., 5. und 6. Ordo Mabillons hervorgeht1. Zu-
dem hätte der Thron des Bischofs nur in den wenigen Kathedralen ein Hindernis
für die Errichtung eines Retabels gebildet; in der ungleich größeren Zahl der nicht-
bischöflichen Kirchen bestand dasselbe nicht, weil hier keine Cathedra hinter dem
Altar stand.

Ein ernstliches Hindernis für das Anbringen eines Retabels war, daß der Sub-
diakon verschiedener orten noch im frühen 12. Jahrhundert, bis ins 10. aber regel-
mäßig beim Gottesdienst nicht hinter dem Zelebrans und dem Diakon und an der
gleichen Seite des Altares wie diese, sondern gegenüber dem zelebrierenden Priester
an der anderen Altarseite stand. Daß er in karolingischer Zeit hier seinen Platz hatte,
bezeugen der 1., 2., 3. und 5. römische Ordo1, der von Duchesne herausgegebene Ordo
von St Amanda, ein Ordo von Murbach4, Amalarius von Metz5 sowie die Eclogae'.
Im 10. Jahrhundert erwähnen diese Stellung des Subdiakons der 6. römische Ordo'
und der Meßordo des Sakramentars Ratolds von Corbie8, im 11. ein Ordinarium von
Monte Cassino' sowie Johannes von Avranehes10, und noch in der Frühe des 12.
Honorius von Augustodunum".

Solange irgendwo die Gepflogenheit bestand, daß der Subdiakon beim Gottes-
dienst dem zelebrierenden Priester gegenüber an der anderen Langseite des Altares
stand, konnte dieser natürlich nicht mit einem Retabel ausgestattet werden. In-
dessen war sie wohl schon im 9. Jahrhundert nicht mehr allgemein in Kraft Jeden-

' Ordo 2, n. 5 (M. 78,970): Episcopus oscula- coni vadunt retro sacerdotem, subdiaeoni ambu-

tus evangelium et allare et pergit ad dexteram lant retro altaris.

allaris ad sedem suam; ordo 5, n. 6 (1. c. 987: 5 De ccclesiast. offieiis 1. 3, c. 21 (M. 105,

Et pontifei osculetur evangelium, quod super 1131): Staut inlevini succnlolcs seu diaconi post

allare jacuerit eattrue in dexleram altaris ponlificem, subdiaeoni vero in facie eius.

partem; ordo G, n. 4 (1- c. 991): Demum dextro B N. 20 (itf. 78, 1376): Diaconi stant retro

eornut altaris, ubi etiam sedes sibi parata est, episcopum et subdiaeoni ante faeiem eius.

osculum ferat. Vgl. auch Eclogae n. 10 (1. c. ' N. 10 (M. 78, 993).

■372): Pergit ad dexteram altaris et slat erectus a M. 78, 243: Diaconi ante allare, subdiaeoni

versus Orientem. In dem von Duchesne ver- retro, episcopus in medio.

ouonflichten Ordo (Origines 464) heißt es: Et » Mart. Monach. I. 2, c 4, § 2; IV, 60.

vadit de dextra parte altaris ad sedem suam. » De oIQc. eccles. (M. 147, 36): Subdiacora"

öie Anweisung ist hier unklar. vero similiter inclinati sint in aspectu sacer-

1 Ordo 1, n.' 16; 2, n. 10; 3, n. 15; 5, n. 9 dotis.

I«. 78, 944 973 981 9SS). » Gemma aniraae 1. 1, c. 45 (M. 172, 557):

1 Duch., Orig. 467. Subdiaeoni retro altare loeantur. Vgl. aneh

' M. 66, 1000: Sacerdos ante altare . . . dia- Sacrauientariura c. 87 (1. c. 792).
 
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