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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0558

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542 Fünfter Abschnitt. Das Retabel

falls Würde es spätestens im 10. Jahrhundert mancherortcn üblich, daß der Subdiakon
sich nicht mehr im Angesicht des Zelebrans hinter dem Altar aufstellte, sondern vor
diesem hinter dem Diakon. "Wir ersehen das aus dem 6. römischen Ordo, der den
römischen Ritus, wie er im 10. Jahrhundert diesseits der Alpen geübt wurde, wieder-
gibt, Zwar verzeichnet auch er noch an erster Stelle die ältere Gepflogenheit, iügt
aber dann ausdrücklich hinzu: Apud quosdam usus obtinuit, subdiaconos in choro
stare, usque dum „sanctus" canaturethocfinito eoscoram altariretro diaconosaliquod
gradibus infra consistere et tunc retro subdiaconos acolythum patenam et fistulam
habentem inferius stare". Im 11. Jahrhundert hören wir von diesem Brauch in den
Consuetudincs Farfenses13, in den Consueludines Cluniacenses des Udalricus1* und in
den Constitution es Hirsaugienses des hl. Wilhelm15. Es war für seine Verbreitung von
großer Bedeutung, daß man ihn zu Cluny adoptierte, da er infolgedessen nicht bloß
in den zahlreichen von dort ausgehenden Tochterklöstern Aufnahme fand, sondern
bei dem Ansehen, dessen sich die Cluniacenser erfreuten und bei dem Einfluß, den
sie auf weite Kreise ausübten, auch über die Mauern Clunys und der von ihm ab-
hängigen Klöster hinaus heimisch wurde. Zu Rom war der Brauch, wonach der Sub-
diakon vor dem Altar hinter dem Diakon stand, schon wenigstens in der ersten
Hälfte des 12. Jahrhunderts in Übung, wie wir aus dem um 1145 geschriebenen Ordo
officiorum ecclesiae Lateranensis des Priors Bernhard ersehen'6. Um 1200 erwähnen
ihn Sicard von Cremona" sowie Innocenz III.18, in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts das Ordinarium der Kathedrale zu Bayeux", in der zweiten das Ordinarium
eines Dominikanermissales50 sowie Durandus*1, im Beginn des 14. der Ordo des Kar-
dinals Gajetanus StefaneschiM.

Was den W7echsel in der Stellung des Subdiakons veraniaßte, mag dahingestellt
bleiben, da das hier von keinem Belang ist. Jedenfalls erfolgte er nicht, weil man
durch ihn die Möglichkeit schaffen wollte, den Altar mit einem Retabel zu versehen.
Denn selbst nachdem er bereits weite Verbreitung erlangt hatte, ja allgemein ge-
worden war, lieJJ man diesen noch eine geraume Weile meist ohne Retabel. Es kann
darum auch schon unter der Herrschaft des älteren Brauches, nach dem der Sub-
diakon hinter dem Altar stand, die Stellung des Subdiakons nicht der entscheidende
Grund gewesen sein, daß man den Altar noch nicht mit einem Retabel ausstattete.
Bestimmend hierfür muß vielmehr bereits damals ein Moment gewesen sein, das
auch für Altäre galt, die einer Wand vorgebaut waren und deshalb ohne Schwierig-
keit mit einem Retabel hätten versehen werden können, und das sich selbst, nach-
dem ein Wandel in der Stellung des Subdiakons sich vollzogen hatte und dadurch
auch bei freistehenden Altären ein Eetabel möglich geworden war, noch lange in
demselben Sinne wie vordem wirksam erwies.

Dieses entscheidende Moment, das es erst so spät zur Errichtung von
Retabeln kommen ließ, war der uralte, tief eingewurzelte Brauch, auf den
Altar nichts anderes als die hl. Geräte, Kelch und Patene, die hl. Bücher und
die Pyxis mit dem hhl. Sakrament, zu stellen bzw. zu legen. Er hatte seinen
Grund in ehrfurchtvoller Scheu vor der Heiligkeit und Würde des Altares.

" N. 10 (M. 78, 993). 217, 834): Innocenz sagt allerdings nur: Sub-

" L. 2, c. 23 (ed. Br. Albers, Stuttgart 1900) diaconus retro continet involutam patenam,

163- doch erhellt aus den gleichartigen AusfÜhrun-

14 h. 2, c. 3 (M. 149, 718). gen des Sieardiis, wie retro zu deuten ist.

15 L. 1, c. 84 (M. 150, 1012). « U. Chevalier, Ordinaire de I'cglise catb. de
" L. Fischer, Bernhardi Cardinalis ordo ofG- Eayeux (Paris 1902) 29.

cior. eccl. Lateran. (München 1916) 83: Stant " Brit. Museum Add. 23935, abgedruckt bei

in ordine suo post episcopum diaconus et sub- J. Wickham Legg, Trakts on the mass (London
diaconus. 1904) 79.

11 Rationale 1. 4, c. 34, n. 11.
M. » C. 33 (M. 78, 1165).
 
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