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Einleitung.

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Es muß demnach weiterhin unsere Aufgabe sein, zu zeigen, wie durch zweck-
entsprechende Aufstellung und Beleuchtung der Objekte dafür gesorgt werden
kann, daß die Arbeit, die dem Wissenschaftler so nahesteht wie dem Zeichner, auch
Resultate hervorbringe, die beide Teile erfreuen können.

Die Klage über Mangel an gründlich vorgebildeten Illustratoren für naturwissen-
schaftliche Werke ist alt und in den letzten Jahren noch lauter und allgemeiner geworden.
Es ist auch wahrscheinlich, daß die Wandlung in den Unterrichtsmethoden, die vor
20 Jahren eingetreten ist, dafür mitverantwortlich gemacht werden kann. Man darf aber
nicht sagen, daß die Ausbildung der modernen Künstler ,,gerade die fähigsten unter ihnen"
zur Illustration wenig geeignet mache.

Die Bedeutung der Worte ,,Kunst" und ,,Künstler" schwankt im Sprachgebrauche
so sehr, daß überall da, wo der Sinn nicht aus dem Zusammenhange klar erkennbar ist,
eine Erläuterung nötig wird. Wo von Fechtkunst, Redekunst, Kochkunst die Rede ist,
denkt man nicht an die eigentliche künstlerische Produktion, sondern an einen hohen Grad
von Geschicklichkeit. „Künstlerisch" im Gegensatz zu „dilettantisch" werden Arbeiten
aber auch dann schon genannt, wenn sie nur die handgreiflichen, erkenntnismäßig fest-
stellbaren Fehler des Dilettanten vermeiden.

Wo überall der Sprachgebrauch das Wort Kunst anwendet, scheint als Gemein-
sames zugrunde zu liegen, daß die Tätigkeit als eine „gefühlsmäßig", durch unmittelbare
Anschauung, nicht durch abstrakte Begriffe „erkenntnismäßig" geleitete erkannt oder
wenigstens vorgestellt wird.

Nicht die Intuition, nur das Wissen, die Erkenntnis steht jederzeit in voller Frische
zum Dienste bereit, kann mitgeteilt und fixiert werden. Daher führt der Wunsch, das
Können nicht mit dem Individuum untergehen zu lassen und seiner auch im Augenblick
der Depression gewiß zu sein, in jeder menschlichen Tätigkeit zunächst zur Gewinnung von
empirischen Regeln, später zu erkenntnismäßig begründeten Gesetzen, die immer größere
Gebiete sicher beschreitbar machen, jenseits dieses Gebietes aber ihre stützende Kraft
verlieren.

Wo schnelles Handeln nötig ist, wie bei der Auffassung und Wiedergabe des
Momentanen, schnell Entschwindenden, kann die Reflexion sogar hinderlich sein, weil sie
das Handeln unsicher macht.

Nun hat gerade der künstlerisch begabte Mensch ohnehin mehr Freude an der
intuitiven als an der reflektierenden Tätigkeit und ist auch da mißtrauisch gegen Ab-
straktion und Reflexion, wo sie ihm die größten Dienste leisten könnten. Ein unbestimmtes
Gefühl sagt dem Künstler, daß die Unmittelbarkeit und instinktive Sicherheit seines Aus-
druckes gemindert werden könne, wenn er „bewußt" arbeitet. Oft ist er auch wenig
geneigt, in seiner Kunst zu unterrichten oder nur über sie zu jeden, weil jede Mitteilung
den Zwang zur Reflexion bedingt.

Die Naturwissenschaft hat aber nur Interesse an der Zeichenkunst, insofern sie
„sachlich" ist. Erscheinungstreue der Abbildung ist also erstes Erfordernis und, wo von
ihr abgewichen wird, muß über die bestimmenden Gründe Rechenschaft abgelegt werden
können. An solchen Arbeiten finden Künstler, die in ihrer gesteigerten Intuitionsfähigkeit
ihr Persönlichstes und damit ihren höchsten Schatz sehen (Goethe, Tasso, 2324—32), natur-
gemäß keine rechte Freude. Daher lehrt die Geschichte denn auch, daß hohe Künstler-

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