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Licht und Schatten.

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wo dieser fehlt, auf ein Täfelchen geschrieben, das irgendwo aufgestellt oder angehängt
wird. (Ritter, Tod und Teufel.)

Unsere Schrift setzt sich aus Zeichen zusammen, die notwendig in einer Ebene
liegen müssen. Dieser Ebene fügen sich zwanglos nur solche Bilder ein, die die Flächen-
wirkung nicht zerreißen, also zweidimensional sind und keine Elemente in sich tragen,
die in die dritte Dimension weisen. Solche ,,raumbildenden" Elemente sind aber gerade
jene Ausdrucksmittel, auf deren Anwendung der Japaner verzichtet.

Die jetzt gewonnenen Erkenntnisse gestatten uns, ein Urteil über den Stil der
Buchillustration zu gewinnen. In der Blütezeit tritt nicht nur ihr Ideengehalt in den
Dienst des Textes, sondern sie sucht auch in ihrer ästhetischen Wirkung sich der des
Schriftsatzes anzugleichen. Als Kontur- und Schwarz-Weiß-Zeichnung, wie als Silhouette
steht sie flächenhaft neben der Schriftfläche. Als Zeit stilistischen Verfalles erscheint
dagegen die Periode, die selbst den reinen Schmuck, Zierleisten, Vignetten, Schlußstücke,
ja die Schriftzeichen selbst, durch Ansichten von Seitenflächen und Schatten körperlich
gestaltet.

Licht und Schatten.

Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht

Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,

Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,

Verhaftet an den Körpern klebt.

Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,

Ein Körper hemmt's auf seinem Gange — — —

Goethe „Faust".

Das Licht, die wunderbare Himmelskraft, ohne die es kein Sehen, Malen und
Zeichnen geben würde, strömt aus den sogenannten Lichtquellen (Himmelskörper,
Flammen, Glutzustände). Es erhält seine lebenspendende Bedeutung aber nur durch die
Eigenschaft, von Körpern „auf seinem Gange gehemmt" und von ihnen zurückgeworfen
zu werden.

Die Fälle, in denen unser Auge aus den Quellen selbst Licht empfängt, sind —
schon der Zahl nach unbedeutend — gar nicht diejenigen, die das mit klarer Helligkeit
verbundene Wohlgefühl in uns auslösen. Wenn die Pflanze sich freudig dem Sonnenlichte
zukehrt, schließt sich das Auge, schmerzhaft geblendet. Für das Lichtsinnesorgan des
Menschen ist das lebenweckende Element nicht das direkte, sondern das indirekte, reflek-
tierte Licht. Das Auge ist „bestimmt, Erleuchtetes zu sehen, nicht das Licht" (Goethe,
Prometheus).

Die Ph}'sik lehrt uns, daß die Reflexion des Lichtes an Körpern mit glatter Ober-
fläche derart erfolgt, daß der Ausfallswinkel gleich dem Einfallswinkel ist. Eine so voll-
kommene Reflexion wird aber nur an den besten Spiegeln annähernd erreicht. Schon
die kleinsten Unebenheiten, dem unbewaffneten Auge unmerklich, wirken störend und
verursachen, daß das Licht nicht in einer, sondern nach allen Richtungen zurück-
geworfen wird.
 
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