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Schwarz-Weiß-Malerei.

Schwarz - Weiß ■ Malerei.

Die heutige Schwarz-Weiß-Malerei der europäischen Kulturvölker ist von der
Kunst der Japaner so stark beeinflußt worden, daß eine kurze Charakteristik der Elemente,
die in unsere graphischen Künste eindrangen und sie als , Japanismus" zeitweilig beherrschten,
versucht werden muß. Dabei interessiert uns an dieser Stelle besonders der japanische
schwarz gedruckte Holzschnitt.

Nach der politischen Erschließung des östlichen Inselreiches kamen, in überreicher,
früher nie geahnter Fülle, Erzeugnisse seines Kunstgewerbes in den Handel. Sie fanden
ihre ersten und begeistertsten Verehrer in dem zweiten Kaiserreiche Frankreichs. Zwar
ist der Bewunderungsrausch, der die Brüder Edmond und Jules de Goncourt erfaßte,
in der Societe'du Jinglar seinen Höhepunkt erreichte und sich von Frankreich aus über
die Nachbarländer verbreitete, verflogen. Die Erkenntnis der Grenzen und Bedingtheiten
dieser eigenartigen Kunst hat aber das Interesse und die warme Bewunderung, die sie
verdient, nicht beeinträchtigt.

An dem Maßstabe eines wissenschaftlich erkenntnismäßigen Realismus geprüft,
zeigt die japanische Kunst zweifellos primitive Züge. Es muß hier aber wiederholt betont
werden, daß damit nichts gegen ihren künstlerischen Wert gesagt wird; denn Kunst, sogar
große Kunst gedeiht auf jeder Entwicklungsstufe menschlicher Kultur und benutzt mit
gleicher Souveränität konventionelle, wie originale Ausdrucksmittel. Das Gepräge, das
eine altgeheiligte Ueberlieferung der japanischen Graphik gegeben hat, ist aber gerade
für unsere Untersuchungen von höchster Wichtigkeit und der Grund dafür, daß sie in
einzelnen Beispielen herangezogen wird. Für das naturwissenschaftliche Zeichnen ist es
eben nicht gleichgültig, ob es originalen oder konventionellen Charakter trägt. Es kann
gar nicht genug getan werden, um unseren Blick für das Konventionelle, in unserem Sinne
Primitive, zu schärfen. Wir können die Ausdrucksmittel, die die Wissenschaft der
Beobachtung und Darstellung in den letzten Jahrhunderten geschaffen hat, nicht entbehren
und sind auf ihre gewissenhafte Anwendung angewiesen.

Die japanische Kunst hat eine vielhundertjährige Tradition, geht dem Tierleben,
dem malerischen Reiz der Landschaft feinsinnig nach und gibt Stimmungen der Natur
und des menschlichen Gemütes von der zartesten Lyrik bis zum wildesten Furioso
bewunderungswürdig wieder. Technisch steht sie auf höchster Stufe. Größenverhältnisse,
Verkürzungen und' Ueberschneidungen des Tier- und Menschenkörpers bewältigt der
japanische Zeichner auch in den gewagtesten Stellungen ohne Schwierigkeit, wenn er sich
auch diesen Dingen gegenüber gelegentlich auffallend gleichgültig verhält.

Daß eine so hoch entwickelte Kunst auf Glanzlichter, Reflexe, Spiegelungen und
Schatten gänzlich verzichtet und in der Perspektive, wo sie überhaupt zur Anwendung
kommt, sich die ärgsten Willkürlichkeiten erlaubt, erregt natürlich in höherem Maße
unsere Verwunderung, als die Primitivität eines Steinzeitmenschen oder eines Busch-
mannes. Zum Nachdenken über dieses Rätsel will unsere Tafel 27 anregen.

Sie ist einem Oribon, einem japanischen Klappbuche entnommen, dessen Bilder
die Familie der Aronsstabgewächse oder Araceen behandeln und Pflanzenkenntnisse
vermitteln wollen,

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