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Aus der Geschichte des naturwissenschaftlichen Zeichnens.

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preis, Vexiernelke und Lilien, Pfingstrosen, Akelei, Stiefmütterchen und Ochsenzunge, die
drei Heilkräuter (Gauchheil, Brunelle, Stiefmütterchen), ferner der Akeleistock, Schellkraut
und das große und kleine Rasenstück ; von Tieren der berühmte „Feldhase", das große
Wiesel, der prachtvolle Hirschkäfer, Büffel, Walroß, Strauß, Käuzchen, Fledermaus u. v. a.

,,Unserm Dürer gebührt in der Geschichte der naturkundlichen Illustration, die
freilich erst geschrieben werden muß, ein dauernder Ehrenplatz", sagt Killermann am
Schlüsse, und diesem Urteil wird sich jeder anschließen, der sich an meisterhafter Geschick-
lichkeit und liebevoller Beobachtung der Natur erfreuen kann.

Unter den berühmten ,,Kräuterbüchern" des 16. Jahrhunderts hat das des Brunfels
seiner Abbildungen wegen von jeher im höchsten Ansehen gestanden.

Otto Brunfels, geboren 1488 in Mainz, gestorben am 23. November 1534 in Bern,
war keineswegs Fachgelehrter im heutigen Sinne, sondern in einem wechselvollen Leben
Theolog, Mönch, lutherischer Prediger, Schulvorsteher in Mainz und schließlich Arzt
in Bern. Seine Schriften behandeln Theologie, Pädagogik, arabische Sprache und Arznei-
mittellehre.

Seine Herbarum vivae icones (Straßburg 1530 und 36, 3 Teile), in deutscher Aus-
gabe „Contrafayt Kreuterbuch" (daselbst 1532), sind durch einen Künstler von Rang, den
Hans Weyditz aus Straßburg, illustriert worden. Wer diesen Künstler auf anderem
Gebiete kennen lernen will, findet die vorzügliche Reproduktion eines farbigen Blattes von
seiner Hand bei Goldschmidt (a. a. O.).

Seine Abbildungen, von ihm selbst in Holz geschnitten, sind, wie es die Technik
des Holzschnittes erfordert, in kräftiger Konturzeichnung gehalten. Schattenwirkungen
sind nur gelegentlich leicht angedeutet.

Ein Meisterwerk der Darstellung mit einfachsten Mitteln sind die beiden Kapseln
des ,,Widerthon", eines Polytrichum. Die eine ist noch mit der am Rande ausgefransten
Calyptra bedeckt, die andere, freie, zeigt in glänzender Charakteristik die abgerundet-
vierkantige Form der eigentlichen Kapsel. Um die Feinheit und Sicherheit der Zeichnung
in diesen kleinen Bildchen zu erkennen, braucht man sie nur mit der Abbildung des
„groß gülden W7iderthon" bei Fuchs (Taf. 36) zu vergleichen. Daß nur die Kapsel mit
ihrer Seta abgebildet wurde, erklärt sich daraus, daß man den anderen Teilen des Mooses
arzneilichen Wert nicht zuschrieb.

Auch die auffallend sorgfältige Behandlung, die das Wurzelwerk der abgebildeten
Pflanzen in den Kräuterbüchern erfuhr, erklärt sich daraus, daß gerade dieses so oft als
Träger der medizinischen Eigenschaften galt.

Die Abbildung des „Wegrich" (Plantago major) ist von den späteren Zeichnern
häufig kopiert worden. Das Resultat wurde immer minderwertiger. Selbst der schlechten
Abbildung bei Lonicerus sieht man aber noch ihre Herkunft von Brunfels an.

Die Bilder vom „Knabenkraut" (Ojjhrys) und der „Goldwurtz" (Lilium Martagon),
gleichfalls vortrefflich charakterisiert, stellen in Mittel- und Süddeutschland wohlbekannte
Pflanzen dar und weisen auf die süddeutsche Herkunft des Buches hin.

In bezug auf Wert und Selbständigkeit der Illustration steht dem Brunfels noch
nahe die Historia stirpium des Leonhart Fuchs (Basel 1542), in deutscher Ausgabe
betitelt „New Kreuterbuch durch den hochgelerten Leonhart Fuchsen, der artzney Doktorn
und derselben zu Tübingen Lesern, Basell 1543 durch Michael Isingrin".
 
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