Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6o

Schwarz-Weiß-Malerei.

Auf den ersten Blick sieht man, daß das Blatt nicht zufällig den Schwarz-Weiß-
Charakter trägt, sondern von vornherein in dieser Technik gedacht ist. Wer diesen
Eindruck nicht unmittelbar hat, dem raten wir, nach dem Original eine Pause nur in
Umrissen, ohne die schwarzen Flächen, herzustellen und beide Blätter nebeneinander zu
legen. Der eigenartige Reiz der Darstellung verschwindet in dieser Nachzeichnung völlig,
und die Schwächen treten deutlich hervor. Zwar sind Wuchs und Gliederung des Ganzen
und seiner Teile trefflich charakterisiert, den Umklappungen der Pflanzenblätter hat der
Zeichner aber keine große Sorgfalt gewidmet. Auf den ersten Blick fesselnd und von
dauernder Wirkung ist aber der rhythmische Fluß der Linien, die bewundernswürdige
Teilung der Flächen in Schwarz und Weiß, ihre Auflockerung im Wechsel mit energischer
Zusammenfassung und der Zusammenklang des Ganzen zu einer Harmonie. Die deko-
rativen Werte sind dem Japaner von entscheidender Bedeutung, und hinter sie tritt
alles Andere zurück.

Mit erstaunlichem Geschmack sind Färbung und Struktur durch das einfache
Schwarz-Weiß gekennzeichnet. Die dunklere Oberseite der Blätter, die dunklen Flecke
des Stengels und der Blattstiele werden einfach schwarz, die Unterseiten weiß, die
Riefelung der Achsenteile und der sogenannten Spatha, die den kolbenförmigen Blütenstand
umschließt, durch parallele Längsstriche wiedergegeben, die am dunklen Saum und der
Basis der Spatha zu schwarzen Flächen zusammengehen und dem zungenförmigen Fortsatz
seine anmutige Bewegung geben.

Untrennbar mit der Komposition verknüpft ist auch der rechteckige Rahmen,
denn harmonisch teilen lassen sich natürlich nur begrenzte Flächen. Denkt man den
Rahmen fort, so fällt die Komposition (oben rechts) auseinander. Sie wird auch nur
verständlich, wenn wir uns das Ganze mit Hilfe eines Rahmens aus dem Gesichtsfelde
herausgeschnitten denken, ähnlich, wie der Landschafter mit einem rahmenartigen ,,Sucher"
Motive aus dem Landschaftsbilde herausschneidet.

Anregend und erziehend haben die Japaner auch durch ihre Behandlung- der
Schrift auf unsere Illustration eingewirkt. Die Schrift wird, wie alle anderen Teile des
Bildes, als Schmuckelement empfunden. Ihre Zeichen werden zu Flächen, meist Rechtecken,
zusammengefaßt, deren innere Gliederung und deren Größe im Verhältnis zur ganzen
Fläche mit feinstem Geschmack abgewogen wird.

Wie bei unseren alten ,,Blockbüchern" wird sie mit der Zeichnung in den Holzstock
geschnitten. Der Platz auf dem Bilde wird lediglich durch ihre dekorative Wirkung be-
stimmt. Die Raumillusion wird bewußt hinter die F 1 ä c h e n wirkung zurückgesetzt; darum
kann die Schrift, ohne störend zu wirken, bald auf dem blauen Himmel, bald auf dem
grünen Rasen stehen1). Daß die Meister aus der großen rr Zeit deutscher Buchkunst
ähnlich empfanden, mag das Beispiel Dürers zeigen. Sein ß^x. steht auf den Holzschnitten,
die malerische Elemente möglichst ausschließen, den Charakter der zeichnenden
Kunst betonen und Flächen wirkung anstreben, einfach auf dem Papiergrunde. (Apo-
kalyptische Reiter.) Auf den Kupferstichen dagegen, deren Objekte bis zur vollen
plastischen Wirkung durchgearbeitet sind, kann die Raumillusion nicht entbehrt werden.
Das Signum wird nun, um diese nicht zu stören, auf einen passenden Gegenstand, oder,

i) Die Schrift unserer Tafel fehlt auf dem japanischen Druck,
 
Annotationen