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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0020
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— 64 —

Jahrhunderte Herrliches geſchaffen, und während faſt überall
anderswo modernes Weſen oder vielmehr Unweſen die mittel-
alterliche Kunſt verdrängt und ungenießbar gemacht, liegt. auf
dieſer einſamen Jnſel die ganze Herrlichkeit, vielfach durchaus
unangetaſtet, ganz und offen vor dem erſtaunten Blicke.
Unbegreiflich, daß weder franzöſiſche noch engliſche Künſtler
und Touriſten dieſe Fundgrube artiſtiſcher Reichthümer aufge-
than!
Möge der pietätvolle Künſtler, der zum erſten Male darauf
aufmerkſam gemacht, geneſen, und noch Weiteres abſeits von
dem gewöhnlichen breiten Weg der Reiſenden in Spanien auf-
ſpüren!
Dresden, Februar 1867

Karl Andreä

JV. Miscellen.

rührte, um von Civita-Vecchia nach Barcelona zu reiſen. Der
ſpaniſche Quarantain-Hafen von Barcelona iſt aber Mahon
auf Majorka. Palma, die größte Stadt auf der Jnſelgruppe
ſollte intereſſante Bauwerke haben, und ſo reiste er hin. Schon
die kleineren Städte, die er, durch das unbeſchreiblich präch-
tige, reiche und maleriſche Land fahrend, berührte, Alkudio, Jn-
ka, zeigten ihm, daß er auf altem Culturboden ſei, überall
ſchöne Reſte des Mittelalters, Alles nicht nur maleriſch, ſon-
dern architektoniſch intereſſant. Jn jeder Hinſicht aber wurden
ſeine kühnſten Erwartungen übertroffen, als er die Stadt Palma
ſah. Der nüchterne Architekt, der von Neapel und Palermo
herkam, gerieth in Ekſtaſe und ſchrieb mir Briefe von dort,
die von Unerhörtem meldeten. Und es iſt ein ſtrenger Archi-
tekt, den der blaue Himmel und die wehenden Palmſchäfte und
die coſtümirten Charaktergeſtalten nicht etwa trunken machten,
wie es einem Maler geſchehen könnte, ſondern der übermannt
war von der Herrlichkeit der Kunſt dort, von der Fülle ſtreng
guter und oft neuer, alle eigenthümlich friſch durchwehter Archi-
tektur-⸗Elemente, eine durchaus gothiſch gebaute und geſchmückte
und wohl erhaltene Stadt. Der Dom, ein mächtiges Bauwerk
in größten Dimenſionen, voll von Monumenten aller Art, mit
einem Portal puerta del Mirador, aus dem 14. Jahrhundert,
das ſich dem ſchönſten anreiht, was überhaupt gebaut worden
iſt — und es iſt erwieſener Maaßen deutſche Arbeit , der
Architekt, der das und noch vieles Andere geſchaffen, Enrik
Alamaut (Heinrich der Deutſche); wie denn überhaupt die Menge
deutſcher Kunſtwerke, Holzſchnitzaltäre u. ſ. w. dort überall vor-
handen! Außer dieſem großen, reichen Dom eine Menge an-
derer Kirchen, wohlerhaltene koſtbare Kreuzgänge, Kapellen,
Wegekreuze.
Dann, was das Eigenthümlichſte dort iſt, an 10 go-
thiſche Paläſte und reichere Wohnhäuſer, deren Wirkung Alles
ubertrifft, was man ſich von poetiſchſter Wohnlichkeit vorſtellen
kann: innere Lichthöfe mit Brunnen, zu oberer Erde daran-
ſtoßend offene Räume, nur durch Säulen und Bogen von ein-
ander getrennt, meiſt mit reich verzierten Holzdecken, alles
Pinie und bemalt und vergoldet. Decorativ viel mauriſcher Ein-
fluß, doch nicht ſo, daß er die Gothik verdürbe, ſondern nur
reizender machte. Auch eine ganz wunderbar ſchöne Börſe, die,
gewölbt, aber ohne Dach, ſo conſtruirt iſt, daß das Waſſer
von dem flachen Gewölbe direct abfließt, reich verziert und
durchgeführt. Kurz, es fehlt nichts dort, auch nicht Wohl-
habenheit und Jntelligenz der Bewohner, deren zuvorkommendes
und feines Benehmen Herr Schulz nicht genug preiſen kann.
150 Zeichnungen, viele davon in bewunderungswürdiger
Ausführung, ſo daß hieſige Architekten ſtaunend ſagten, die
Aufnahme dieſer puerta del Mirador allein erſcheine als Arbeit
von 4 Wochen, entſtanden in 5 Wochen! Die Folge dieſer
ungeheuren An- und Aufregung und Ueberanſtrengungen warfen
denn auch die ſonſt ſtarke Conſtitution dieſes edlen Mannes
um, und ſchwer krank liegt er nun in Barcelona. Es iſt ſehr
zu wünſchen, daß eine Publikation dieſer merkwürdigen, Reiſe-
Aufnahme erfolge, damit ſie weiteren Kreiſen erſchloſſen werde,
was bis dahin faſt gänzlich unbekannt geweſen.
Nirgendwo, in keiner Kunſtgeſchichte, in keiner Geographie,
wird auf Palma hingewieſen, das eine ſo bedeutſame und feine
Kunſt hat, daß unſerem Künſtler Palermo z. B. daneben faſt
roh erſchien. Und iſt es nicht für uns wahrhaft erhebend, un-
ſere deutſche Kunſt dort weit ab wiederzufinden, im Angeſicht
von Afrika, dort förmlich inſtalirt, reich erblüht, und nach keiner
Seite hin, der Sitte, dem Klima u. ſ. w. etwas ſchuldig blei-
bend. Nicht ſpaniſche, nicht franzöſiſche, nicht italieniſche Bau-
meiſter, ſondern deutſche haben dort eine Schule gegründet, die

Freiburg. Wir freuen uns abermals über zwei ſchöne
Produkte berichten zu können, welche aus hieſigen Kunſtſtätten
hervorgingen. Das erſte iſt ein plaſtiſches Kunſtwerk unſeres
rühmlichſt bekannten Bildhauers A. Knittel. Es ſtellt einen
kreuztragenden Heiland auf dem Leidenswege nach Golgatha dar.
Die unter der Laſt des ſchweren Kreuzes ſich beugende und
vorwärtsſchreitende Geſtalt iſt in Lebensgröße dargeſtellt. Der
Ausdruck des leidenden mit der Dornenkrone geſchmückten
Hauptes iſt wahrhaft ergreifend, Hände und Füße edel geformt,
die Gewandung ungezwungen und vollkommen entſprechend.
Jndem der Künſtler bei der. Ausführung von dem großen er-
habenen Gegenſtande ſichtbar ergriffen und gehoben war, hat er zu-
gleich über das Ganze eine Weihe gegoſſen, die alsbald auch
auf den Beſchauer wohlthuend zurückwirkt. Daher war auch
die Anerkennung des Kunſtwerkes eine ganz allgemeine. Als
es in der St. Martinskirche während der Faſtenzeit ausgeſtellt
war, ſtrömten Schaaren frommer Beſchauer herbei, und viele
aus hohen und niedern Ständen ſteuerten alsbald Gaben, damit
das gelungene Kunſtwerk dieſer Kirche erhalten bleibe, und ſtets
zur Erbauung ſtimme. Schnell waren die Koſten gedeckt, ſo
daß der Künſtler die Frende hatte, die Darſtellung für den
urſprünglichen Beſtimmungsort, wir glauben Lenzkirch, wieder-
holen zu können. Möge es ihm vergönnt ſein, noch recht Vie-
les und Schönes zum Schmucke der Kirche Gottes zu ſchaffen.
Ein größeres Oelgemälde ging aus dem Atelier unſers reich-
begabten und unermüdeten Hofmalers Dürr hervor. Es iſt
ein Altarbild mit dem heil. Krieger ,,St. Georg'' für die
Pfarrkirche Berghaupten im Kinzigthal. Wegen der räumlichen
Beſchränkung ſtellte der Künſtler unſern Heiligen nicht in der
herkömmlichen Auffaſſung auf dem hoch ſich bäumenden Pferde
im Kampfe mit dem Drachen (dem Teufel) dar. Er
führt uns vielmehr den Heiligen in dem Momente vor, wo er
nach dem Siege ſein Dankgebet verrichtet. Wir erblicken St.
Georg mit emporgehobenem ausdrucksvollem Haupte, die Hände
zum Gebet gefaltet, mit einem Fuße auf dem von der Lanze
durchbohrten, im Verenden liegenden Ungethüme, vor welchem
auf der andern Seite das Streitroß des Heiligen, ſtarren Blickes
ſchnaubend ſelbſt ſich zu entſetzen ſcheint. Herr Dürr hat hier
von neuem ſeinen Talent in Compoſition und Ausführung be-
währt, insbeſondere ſeine ſchöne Erfindungsgabe erprobt, wenn
er auch bei dem Abgehen von der herkömmlichen Auffaſſung
auf allgemeine Anerkennung nicht rechnen kann. Manche hiel-
ten dafür, es wäre noch glücklicher jener Moment gewählt wor-
den, wo der glaubensſtarke Krieger den letzten kräftigen Stoß
gegen das Ungethüm führte, das Beten ſei ja allen Heiligen
eigen.

Verantwortliche Redaction: Dr. Stephan Braun. — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg
 
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