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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0030
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— 44 —

Gefäßes kann nemlich dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts
beigemeſſen werden. Daß aber der thurmförmig gebildete Deckel
in beſtimmter Weiſe das Thurmgebäude vorbilden ſollte, das
man anfangs zu errichten die Abſicht hatte, darf nicht unter-
ſtellt werden. Der Uebergang von dem Quadrate des untern
Thurmbaues in eine hexagone Pyramide iſt aus conſtructiven
Gründen als unthunlich zu erachten. Die Form des Sechseckes,
welche dem Deckel geliehen iſt, ſteht in Zuſammenhang mit den
übrigen Sechstheilungen des Kunſtwerkes, welche bei den Medail-
lons des Fußgeſtelles und dem Knaufe des Stengels beobachtet
ſind. Dem Künſtler, welcher das Oſtenſorium anfertigte, ſchwebte
nicht ein oblonger Kirchenbau, ſondern eine Rotunde vor, über
welche eine ſechseckige Bedachung ſich thurmförmig erheben ſollte.
Von den auf ſchraffirtem Grunde ausgeführten Medaillons
ſtellen vier die Evangeliſten dar, welche vor Schreibpulten
ſitzend mit der Abfaſſung ihrer Bücher beſchäftigt ſind; einem
jeden iſt die bekannte ſymboliſche Figur beigeſellt. Ein weiteres
Medaillon zeigt den auferſtehenden Heiland, die mit dem Kreuze
bezeichnete Siegesfahne in der Hand haltend; zwei Wächter ſitzen
auf dem Grabe, das eine dreifache Bogenſtellung mit gothiſchem
Maaswerk ſchmückt. Das ſechſte Medaillon zeigt den Heiland
am Kreuze zwiſchen der heiligen Jungfrau und Johannes. Be-
merkenswerth iſt es, daß die Bilder der vier Evangeliſten Nach-
ahmungen älterer Darſtellungen ſind, welche an einem weit bedeu-
tenderen Kunſtwerke vorkommen, welches in demſelben Schranke
des Münſterſchatzes aufbewahrt iſt und insgemein den Namen
,,die Scheibe'' fuhrt. Es gehört dieſes ſchöne Kunſtwerk einem
Prozeſſionskreuze an. Auf dem Mittelgrunde deſſelben iſt in
getriebener Arbeit die Kreuzigung gebildet. Der breite Rand
mit geſchmackvollen Arabesken in Filigranarbeit verziert, welcher
das Mittelfeld umfaßt, iſt von vier Bildern in Quadratform
unterbrochen, welche Darſtellnngen der vier Evangeliſten enthal-
ten. Die Vergleichung der Letzteren mit den entſprechenden
Darſtellungen auf den Medaillons des Schaugefäßes ſtellt un-
zweifelhaft feſt, daß der Verfertiger des Letzteren den Bildſchmuck
des Prozeſſionalkreuzes wiederholt hat; daß jedoch ſeine Leiſtung
hinter der Ausführung des Originals entſchieden zurückgeblieben
iſt. Dies bedeutende, im Ganzen wohlerhaltene Werk, das
eine eingehendere Beſprechung verdient, als ihm bis jetzt zu
Theil geworden iſt, gehört noch dem ſpätromaniſchen Styl an.
Man wird wohl nicht irren, wenn man annimmt, daß der Ver-
fertiger des Oſtenſorium ein hieſiger Goldſchmied war, welcher
das ihm vorliegende Muſter für ſeine Arbeit vernützlichte, die
für den von der Ueberlieferung angegebenen Zweck zur Aus-
führung kam.
Herr Fahne hat in ſeinen: Diplomatiſchen Beiträgen
zur Geſchichte der Baumeiſter des Kölner Domes (Düſſeldorf
1849.) die Ehre, den Plan zu dem Kölner Dome entworfen
zu haben einem Heinrich Sunere zuerkennen wollen, welcher
in einer Urkunde des Jahres 1248 als petitor struoturas
majoris ecclesias genannt wird. Es iſt jedoch ſeither der
Nachweis geliefert worden, daß dieſe Bezeichnung auf einen
eigens angeſtellten Einſammler der Beiträge für den Kirchen-
bau zu beziehen iſt. Ohne Bedenken darf wohl angenommen
werden, daß auch bei dem Bau des Freiburger Münſters ein
kirchlicher Beamte als petitor aufgeſtellt war. Und dieſer wird
bei der Ausführung ſeiner Berufspflicht das beſprochene Gefäß
in der verſammelten Gemeinde umhergetragen haben.

eigneten Platz für die Orgel auszufinden. Man ſieht ſie in
dieſer Kirche im Kreuzflügel, in jener neben den Chor, in einer
dritten an der Weſtwand, in einer vierten wieder an einer ande-
ren Stelle angebracht, als ob hier dieſe Rückſicht, dort jene
maaßgebend geweſen ſei. »Man haftet daher noch mehr im
Experimente, als daß man ſich von einheitlichen, maaßgebenden
Jdeen leiten läßt. Dieſer Zuſtand hat allerdings ſeine guten
Gründe; denn beim Wiedererwachen der mittelalterlichen Kunſt
trat vielfach die jetzige Größe der Orgeln mit der mittelalter-
lichen Architektur in eine herbe Colliſion. Es waren nämlich
in jener Periode des Mittelalters, wo eben die beſten Bau-
formen herrſchten, die Orgeln, welche mit anderer Ausſtattung
gleichwohl in die altchriſtliche Zeit zurückgehen, in den ge-
wöhnlichen Land- und Pfarrkirchen noch faſt gar nicht vor-
handen, in den größeren Kathedralen noch kleiner wie gegenwaͤrtig,
und für dieſe kleineren Orgeln ließ ſich immerhin ſchon ein
Platz ausſuchen, den die Architektur gern geſtattete; da anderer-
ſeits dieſe Orgeln auch im Mittelalter noch nicht ſo viele Auf-
gaben, alſo auch nicht ſo große Bedeutung hatten, die jetzigen
aber einen weſentlichen, feierlichen Antheil am Gottesdienſt
nehmen, ſo erfordern die letzteren auch eine größere Beachtung,
die ihnen gewiß Keiner um ſo weniger verkümmern wird, als
die Muſiter behaupten, daß eine Orgel, oder vielmehr ihre
Tonmaſſen, für eine Kirche kaum zu groß werden könnten.
Sie verdieuen deßhalb jetzt einen ganz beſonderen Stand, wo-
gegen die alten Orgeln mit eiuem Nebenplatze fürlieb nehmen
konnten, ja, wenn man dem Geiſte erhaltener Nachrichten trauen
darf, vielfach blos auf dem Fußboden ſtanden. Jn den Bene-
dictiner-Klöſtern Norddeutſchlands waren ſie bis weit ins V1.
Jahrhundert verboten, um ſich dann erſt durch ihre Zweckmäſ-
ſigkeit Eingang zu verſchaffen. Als ſie ſeit dem Ausgange des
Mittelalters eine immer größere Vervollkommnung und dem-
gemäß eine weitere Verbreitung fanden, da verfallen die Kirchen
erſt dem Zopfe der Spätgothik, und dann, als die Nachwehen des
dreißigjährigen Krieges ſich wieder etwas gemildert hatten, am
meiſten den barocken Formen, in welche die Renaiſſance ausartete.
Das barocke, unnatürliche Weſen wurde geſucht und mit allen
Conſequenzen auch zur Ausſtattung und Aufſtellung der Orgelu
angewandt. Sie wurden auf große theatraliſche Tribunen ge-
ſetzt, welche die Architektur der Kirche nicht wenig beeinträchtigten,
ſie wurden mit grandioſen Zopfgehäuſen umgeben, welche die
Orgeln zu Ungeheuern in der Kirche umſtempelten.
Als es nun bei der Renaiſſance des mittelalterlichen Bau-
weſens darauf ankam, für die Orgeln einen geeigneten Platz zu
finden, da wollte und mußte man die Orgeln in ihrer gegen-
wärtigen Ausbildung beibehalten, mußte aber zugleich das Bar-
rocke in der Ausſtattung und dem Standorte der Orgel vermei-
den, wenn man die reinen mittelalterlichen Bauformen nicht in
ihrer Wirkung ſtören wollte. Dieſe Gedanken mögen dahin
geleitet haben, daß jetzt hinſichtlich des Standortes der Orgel
ſo viele Schwankungen und Experimente eintraten.
Die nachfolgenden Zeilen ſollen über den Stand der rgel
einige leitende Jdeen ausſprechen, und zwar mit Rückſicht auf
den Tou, Cultus und die Architectur, und verſuchen, einen
Standort vorzuſchlagen, der jener Rückſicht gerecht wird, oder
der Unbequemlichkeit, welche die Architektur und die Größe der
Orgeln in ſich bergen, möglichſt ausweicht. Auf unbedingte
Gültigkeit oder hinlängliche Vollſtändigkeit machen ſie ſchon des-
halb keine Anſprüche, weil bei vielen Kirchen locale oder andere
beſondere Jntereſſen einwirken, die maaßgebend ſind, weil man
der Verſchiedenheit, der Größe und Einrichtung wegen der einen
Kirche mit Zwang anthun müßte, was bei einer anderen ſich
ſehr wohl ſchickt. Es ſollen zunächſt nur die gewöhnlichen
Pfarr⸗ und Landkirchen in Betracht kommen, für welche ja ein
guter Rath ſtets am Platze iſt. Cathedralen, Kloſter- und

Jl. Fingerzeige bei Aufſtellung von Orgeln.
(Eine Stimme aus Weſtfalen.)

Bekanntlich macht es den Architekten, den Pfarrgeiſtlichen
und den Freunden der kirchlichen Kunſt viele Schwierigkeiten, in
alten oder neuen Kirchen des mittelalterlichen Stles einen ge-
 
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