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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0031
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— 75 —

Schloßkirchen bleiben ſchon deshalb aus dem Bereiche, weil hier
zu ſinguläre und locale Jntereſſen mitſprechen.
Um bei Aufſtellung der Orgel einen Beſchluß zu faſſen,
der einen möglichſt geeigneten Stand erzielen ſoll, kommt es
offenbar darauf an, daß man erſtens den Aufgaben der Orgel,
dann denen des Kirchenbaues und den Geſetzen der kirchlichen
Schönheit zugleich Rechnung trägt.
Die Orgel, dieſes wichtige Toninſtrument, das in der Kirche
mit den Andächtigen betet, feiert und trauert, verdient zunächſt
einen Stand, daß ſie von allen oder von möglichſt vielen An-
dächtigen auch geſehen werden kann. Eine Orgel, welche aus
der Kirche verdrängt iſt und nur mit einigen Scheinröhren in
dieſe hineinſchaut, erweckt offenbar einen theatraliſchen Effect,
wenn plötzlich ihre Töne die Kirche durchdringen, ohne daß
man weiß, ,,woher ſie rauſchen'', ohne daß man ſieht, wer und
wie viele Perſonen dieſe Töne hervorlocken, und ohne daß man
ſieht, wie groß oder wie klein das Jnſtrument iſt, aus dem ſie
hervorgelockt werden. Wenigſtens ſtimmt eine Orgel von einem
verſteckten Stande aus nicht ſofort zur Andacht, zur Theilnahme
an der Feier der hl. Geheimniſſe, ſondern erregt zunächſt eine
gewiſſe Neugier. Noch ſchlimmer iſt ſelbſtredend die Wirkung
der Orgel, wenn die Andächtigen ſie gar nicht ſehen, wenn ihre
Scheinröhren noch durch Altäre oder Kanzeln in der Perſpec-
tive verdeckt ſind.
Wichtiger noch drückt die andere Aufgabe der Orgel auf
die Wagſchale, daß ſie wo möglich auch überall in der Kirche
gleichmäßig gehört werde. Natürlich hängt die Erfüllung
dieſer Aufgabe ſchon vielfach vom Standorte an ſich ab; denn
nur jene Orgel, deren Töne unten und namentlich oben einen
feſten Boden finden, wird den Strom ihrer Töne leicht und
voll in die Kirche entlaſſen und dieſelbe möglichſt vollſtändig
durchdringen. Findet hingegen der Ton weder unten noch oben
in einem ſoliden Holzverſchluſſe oder in einem Gewölbe einen
feſten reflectirenden Widerſtand, ſo werden ſich die Töne ver-
flüchtigen und nur gebrochen und ſchwach in die Kirche, alſo
zum Beſtimmungsorte, gelangen.
Oben bildet natürlich ein Gewölbe den beſten Reflector der
Töne, welche, da ſie nach oben hervorbrechen, unten einer ſo
feſten Unterlage nicht bedürfen. Aber ſelbſt wenn allen dieſen
Anforderungen Gerechtigkeit widerfährt, wird die Orgel doch
gegenüber dem inneren Raume der Kirche ihre Aufgabe nicht
völlig oder doch nur ganz mangelhaft löſen, wenn ſie im Ver-
hältniſſe zum inneren Kirchenraume keinen Stand hat, von wo
aus ſie alle Räume, welche die andächtige Gemeinde einnimmt,
möglichſt gleichmäßig durchdringen und erfüllen kann. Es iſt
zunächſt deutlich, daß der Stand in der Kirche ſo gewählt wer-
den muß, daß alle Abſtände zu einander möglichſt ſymmetriſch
liegen, ſowohl hinſichtlich der Länge wie der Breite des Raumes.
Würde eine Orgel mitten in der Kirche aufgeſtellt werden kön-
uen, ſo würde ſie den Ton nach allen Seiten ſo gleichmäßig
entſenden, als es nach der Anlage der Kirche nur möglich wäre;
in einer Rotunde würde der Ton radienförmig alle Puncte
gleichzeitig durchdringen, in einer Baſilika und Hallenkirche da-
gegen würde ſich der Ton nur verhältnißmäßig gleich vertheilen,
ſo nämlich, daß er zwar der Breite wie der Länge nach gleich-
mäßig nach den Seiten, nach Oſten und Weſten dränge, zu
den Schmalwänden jedoch im Oſten und Weſten ſpäter ankom-
men, als zu den Langwänden, weil jene weitere Abſtände haben
als dieſe. Das Bedürfniß, überall den Ton der Orgel gleich-
mäßig zu vernehmen, liegt einfach im Cultus der Kirche ſelbſt.
Die Orgel ſoll ſowohl den Choral als auch den Volksgeſang
intoniren, beziehungsweiſe begleiten, und da der Choral auf dem
Chore, der Volksgeſang in der Kirche, die in jedem Raume
gleich heilig iſt, ſein Feld hat, ſo muß ſie ſowohl in der Kirche
für das Volk, wie auf dem Chore vernehmbar ſein.

Jn jeder Kirche ließe ſich ſchon leicht ein Standort für die
Orgel finden, welcher dieſen akuſtiſchen Anforderungen ent-
ſpräche; allein auf jedem beſten Platz würde ſie mit der Archi-
tektur des Baues, und mit der inneren Schönheit der Kirche
zu leicht verſtoßen, ſie würde wichtige Kirchenräume für das
Volk abſchließen, Bildwerke, architektoniſche Schönheiten verdecken,
das Chor, als das Haupt der Kirche, mehr oder weniger dem
Auge der Gläubigen entziehen und andere Diſtanzen in die Har-
monie der kirchlichen Schönheit hineinbringen können. Solche
Uebelſtände müſſen vermieden werden; es muß der Architektur
und der inneren Schönheit Rechnung getragen werden, doch ſo,
daß die Muſik der Orgel in ihrer Wirkung möglichſt wenig
Schaden darunter leidet. Es müſſen die Zwecke der
Orgel mit den Zwecken der architektoniſchen und
kirchlichen Schönheit überhaupt einen Compro-
miß ſchließen.
Es fragt ſich, wie ſoll dieſer Compromiß zu Stande kommen,
um beiden Anforderungen, den muſicaliſchen und den architek-
toniſchen, gerecht zu werden? Man könnte dieſe Frage auf
einem doppelten Wege beantworten: erſtens, indem man die
einzelnen, meiſt gewählten Standorte der Orgel nach ihrer
Nützlichkeit und Schönheit prüfte, zweitens, indem man von der
Bauart der Kirche ausginge und für die verſchiedenen Bau-
weiſen jedesmal den beſten Stand auswählte. Denn es iſt
deutlich, daß eine Hallenkirche von ſchlichten Verhältniſſen und
Dimenſionen mit gleich hohen Schiffen und ohne Kreuzſchiff
bei Weitem nicht ſo viele Schwierigkeiten macht, wie eine große
Baſilika mit niedrigen Nebenſchiffen und einem oder zwei Kreuz-
ſchiffen. Die Hallenkirchen, weil von einfacherer Anlage und
ſchlichteren Verhältniſſen, verlangen nicht ſo viele und theilweiſe
ganz andere Rückſichten bei Aufſtellung der Orgel, als die
Baſiliken. Doch verlaſſen wir die letztere Methode, und prüfen
wir, um einfach und praktiſch zu verfahren, die einzelnen Stand-
orte der Orgel, welche bisher gewählt ſind, nach ihrer Vortheil-
haftigkeit.
Jn neueſter Zeit hat man wohl am meiſten für alte wie
für neue Kirchen, für Baſiliken wie für Hallenbauten den
Standort der Orgel ſüdlich oder nördlich neben dem
Chore gewählt, alſo in dem Winkel, welchen die Chorwand
mit der Wand des Kreuzſchiffes, oder der Oſtwand des Neben-
ſchiffes bildet. So beliebt dieſer Standort geworden iſt, ſo
wenig hatte er geſchichtliche Vorbilder in der älteren und neueren
Zeit. Die Orgel wurde dann ſelbſtredend in ein eigenes Haus
verlegt, welches ſo hoch emporgezogen wurde, daß die Orgel
noch eine beſtimmte Höhe zur Kirche erreichte, ſei es daß man
den unteren Raum zu einer Sacriſtei oder zu auderen kirchlichen
Nebenzwecken benutzte. Mit der Kirche ward ſie dann durch
eine oder mehrere Wand-Oeffnungen in Verbindung geſetzt,
oben meiſtens mit Gewölben bedeckt, ſo daß ihre Töne oben
durch die Wand zunächſt auf das Cor und weiter von Oſten
nach Weſten in die Kirche eindrangan. Dieſen Standort kann
man, um die Wahrheit zu ſagen, einen vortheilhaften nicht
nennen. Er verletzt allerdings ſo wenig wie kein anderer die
Architektur und die ſonſtige kirchliche Schönheit, allein dieſes
Haus, in welches die Orgel verſetzt iſt, erfuhr dann wohl eine
ſo unziemliche Architektur, daß im Aeußeren wiederum eine
Mißharmonie zwiſchen den Bauweiſen des Orgelhauſes und der
Kirche eintrat, und daß die Architektur im Aeußeren verlor,
was ſie im Jnneren gewonnen hatte. Doch befriedigte er die
Anforderungen des Cuſtus namentlich in kleineren Kirchen recht
gut; denn die Orgeltöne ereilten hier eben ſo leicht den Geſang
des Chores wie den des Volkes im Langhauſe. Bei größeren
Kirchen, zumal bei Baſiliken und Hallenbauten, welche mit
Kreuzſchiffen verſehen ſind, ergab ſich leider ein anderes Re-
ſultat, indem in der einen die Töne nur gebrochen und kraft-
 
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