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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 7.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.7148#0005
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro.73.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Januar 1868.

l. Von Führich's Reflexion ,,über die Kunſt'f

ihrerſeits wieder beſtimmt wird und ſich beſtimmen läßt von
der überſinnlichen Welt außer ihm. Selbſt das, was er mit
dem Thiere gemein zu haben ſcheint, hängt bei ihm mit jener
unſichtbaren Welt zuſammen: ſo ſtellt der Menſch ſich ſelbſt, ſo
ſtellt ſich ſeine Geſchichte, ſo ſtellt die große hiſtoriſche Kunſt
in allen ihren Formen ihn dar. Die Epiker Taſſo und Mil-
ton, die Dramatiker Calderon und Shakeſpeare appelliren an
die außerſinnliche Welt zur Würdigung ihres Genius. Jn die-
ſem künſtleriſchen Jnſtinkte findet Klopſtock's kühnes Unterfangen,
wenn nicht ſeine vollkommene Rechtfertigung, ſo doch ſeine Er-
klärung.
Selbſt zur Zeit des tiefſten Barometerſtandes echter, d. h.
chriſtlicher Geſittung greift Schiller nach Stoffen, welche in der
Art wie er ſie behandelt, Zeugniß geben von jenem univerſalen
künſtleriſchen Drange, den Menſchen darzuſtellen im Kampfe
zwiſchen zwei außer- und überſinnlichen Welten. Seine ,,Jung-
frau'', in Folge himmliſcher Geſichte ihre Sendung vollführend,
muß uns beim Dichter im Wiederſatze der Schönheit ihres
Glaubens, in einem ihrer Feinde einen ungläubigen Materia-
liſten oder Pantheiſten vorführen. Dieſer muß, nachdem er bei
ſeinem Tode nach ſeiner Ausdrucksweiſe der Erde, der Sonne
die Atome wiedergegeben, die ſein Daſein bildeten, nach ſeinem
Tode als ſchwarzer Ritter erſcheinen zum Zeichen, daß er Un-
recht hatte, und ſeine Philoſophie eine falſche war. Und ſein
,, Wallenſtein''! wie er in der letzten Nacht nach den Sternen
ſpäht, wie ein irdiſch Zeichen, die goldene Kette unter der
Hand des Dieners zerbricht und ſein Mund ſein eigener Pro-
phet wird: ,,Jch denke einen langen Schlaf zu thun,'' und der
Traum der Gräfin Tertzky, nebſt ſo vielen andern Stellen der
Tragödie! —
Was das Alterthum allgemein anerkannte, daß der Künſtler
der Dichter unter höheren Einflüſſen ſtehe und — ähnlich der
Pythia — die Ausſprüche ſeines Genius, aus einer unbekann-
ten Tiefe geſchöpft, der Welt vexmittelt; daß das innerlichſte
Weſen des Künſtlerberufes zunächſt ein paſſives, von perſön-
licher Beſtimmbarkeit unabhängiges Hingegebenſein an die Ahn-
ung des Weltganzen ſei — Schiller hat es gefühlt und gibt
dieſem Gefühle Ausdruck in ſeinem ,,Grafen von Habsburg'':
,,Nicht gebieten will ich dem Sänger rc. ꝛc., er ſteht in

iſt jüngſt das zweite Heft erſchienen, worin der techniſch und
literariſch gebildete Wiener Künſtler ſeine Gedanken und Er-
fahrungen über die Kunſt mit ſteigendem Jntereſſe entwickelt.
Wir theilen aus dem vielen Schönen unſern Leſern nachfol-
gende Stelle mit:
,Die Erkenntniß der über- und außerſinnlichen Welt durch
die Glaubenslehre und unſer Verhältniß zu ihr durch die Sitten-
lehre bilden das Material zum Leben und zur Kunſt; mit der
Abkehr von der überſinnlichen Welt verlieren beide den Begriff
von ſich und zuletzt ſich ſelbſt; mit dem Jdeale entflieht noth-
wendig auch alle wahre Realiät. Die Wahrheit dieſer Sätze
lebte von je in allen groß angelegten künſtleriſchen Naturen.
Die alten Bildner und Dichter, Homer und die Tragiker auf
ihrem umflorten heidniſchen Standpunkte, waren von ihr durch-
drungen. Jſraels Propheten formulirten unter den Einflüſſen
höheren Lichtes die überſinnliche Welt zur klaren Geſtaltung,
und erhoben die dunklen Ahnungen heidniſcher Weltweisheit in
das Reich und Gebiet einer lichten Hoffnung; wie eine heilige
Morgenröthe kündeten ſie Zug für Zug ihren Zeitgenoſſen das
kommende Heil, und nachdem es gekommen, war es das Licht,
das klar und hell zwei Wege beleuchtete; den einen ging es
ſelbſt und lud die Menſchheit ein, ihm zu folgen, den andern
bezeichnete es als den Weg des Verderbens. Wir ſehen hier
ab von der Schönheit dargeſtellter Ueberſinnlichkeit in der bluti-
gen Arena, wie in der ſchweigenden Wüſte. Die über- und
außerſinnliche Welt iſt auch der Jnhalt ſpäterer Tugend und
Kunſt. Den großen Heiligen des Mittelalters folgt die große
bildende Kunſt: Benozzo's Thebais, Organgna's Triumph des
Todes und jüngſtes Gericht, Giotto's Abendmahl und ſeine
Sacramente, Fieſole und ſeiner jungfräulichen Kindlichkeit, ſie
einigen ſich alle im großen Florentiner, der ſeine ganze Dichterkraft
in die über- und außerſinnliche Welt verlegt, und außer den
inſpirirten Propheten der Welt, in der Divina Commedia
eines der größten Dichterwerke hinterlaſſen hat. Wir ſagten
ſchon einmal, die Kunſt iſt der Menſch, und der unſichtbare,
unſterbliche Geiſt an ihm das maßgebende und beſtimmende
Agens ſeiner in der Sichtbarkeit erſcheinenden Thätigkeit, welche
 
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