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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 7.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.7148#0029
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 79.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Juli 1868.

Dios irae.

Verfolgung, wo ein friedlicher Beſtand der chriſtlichen Ge-
meinde noch außer dem Bereich der Hoffnung lag, gewährte
nur der Hinblick auf die Ausgleichung aller um Chriſti willen
erduldeten Drangſale durch eine jenſeitige überſchwengliche Ver-
geltung Stärkung und Troſt. Nach dem Siege des neuen Glou-
bens, nach der Freigebung des Gewiſſens und des öffentlichen
Gottesdienſtes feierten die Moſaikverzierungen der prachtvollen
Baſiliken, mit einem ſtolzen Hochgefühle, den höchſten Moment
aller geſchichtlichen Entwiklung, die am Ende der Tage bevor-
ſtehende glorreiche Wiedererſcheinung des verherrlichten Menſchen-
ſohnes, der, verkannt und verachtet, in Knechtsgeſtalt auf Erden
gewandelt, und für die Rettung der Sterblichen einem ſchmach-
vollen Tode ſich hingegeben hatte, wodurch zugleich ein feier-
liches Zeugniß für die Göttlichkeit ſeines Weſens ausgeſprochen
wurde. Die Offenbarung Johannes lieferte den Stoff für dieſe
Darſtellungen. Noch manche Kunſtwerke des IX. Jh's — auf
welche in dieſen Blättern hinzuweiſen ſich früher die Gelegen-
heit geboten hat — blieben, bei der Behandlung dieſer hohen
künſtleriſchen Aufgabe, im Weſentlichen den Muſtern treu, welche
ſeit dem JV. und V. Jh. aufgeſtellt worden waren.
Wenn hinwieder gewaltſame Kataſtrophen der Geſchichte die
Gemüther erſchütterten und mit Bangigkeit erfüllten, wenn ein-
tretende Sittenverſchlimmerung eindringliche Mahnungen an die
Völker zur Einkehr in ſich ſelbſt nöthig zu machen ſchienen,
dann faßte man die traurigen Zeiterſcheinungen, deren Zeuge
man war, als die Vorläufer der letzten Periode des Weltbe-
ſtandes auf, wies auf die geweiſſagten Phänomene hin, welche
den Schrecken des Weltgerichtes voraufgehen ſollten. Man ver-
tiefte ſich abermals in die Verkündigungen und Schilderungen
der letzten Dinge, welche die Sibylliſten vorgetragen hatten; es
entſtanden von Neuem, ſowohl im Morgen- wie im Abendlande,
prophetiſche Dichtungen, zu welchen das erſte und zweite ein ein-
ziges Gedicht ausmachende — Buch der ſibylliniſchen Weiſ-
ſagungen gehören, und die poetiſchen Werke des Commodianus,
welche, wie an einem anderen Orte nachgewieſen werden ſoll,
keineswegs um die Mitte des JJJ., ſondern zu Anfang des V.
Jh's abgefaßt wurden.
Ein Jahrhundert ſpäter knüpfte ein anderer Afrikaner, der
Biſchof Verecundus, den Faden dieſer Dichtung wieder an.

Die verheißene Wiederkunft des Herrn bildete, von
den uranfänglichen Zeiten des Chriſtenthums an, alle Wechſel-
fälle ſeiner Entwicklung und Verbreitung hindurch, den Kern
der Hoffnungen und Tröſtungen der Gläubigen, und gab dem
ſittlichen Wandel eine, über alle Vergänglichkeit hinaus zielende
Richtung. Der Gedanke an das Weltgericht, welches unmittel-
bar an dies größte aller Ereigniſſe, nächſt der Menſchwerdung,
und dem Opfertode des Erlöſers, ſich anreihen werde, ward
für den Schuldbewußten zu einem, die innerſten Falten ſeines
Gemüthes durchdringenden Stachel. Die chriſtliche Dichtung
und bildende Kunſt, welche es unternahmen, die höchſten Jntereſ-
ſen der Menſchheit zu vertreten und auszuſprechen, machten es
daher vorzugsweiſe zu ihrer Aufgabe, den Jnhalt dieſer Offen-
barungslehre, bald zu freudiger Erhebung, bald zu rührender,
ſchreckender Mahnung, zu verkünden. Bei dieſen Kundgebungen
vernimmt man einen zweifachen Grundton, je nachdem die
äußeren Anregungen bald die eine, bald die andere Betrach-
tungsweiſe erweckten. Jn den älteſten, den chriſtlichen voraus-
gegangenen eschatologiſchen Dichtungen der Juden ergießt ſich der
Haß und der Jngrimm des von ſeinem Sieger in den Stanb
getretenen Volkes, welches, aller irdiſchen Hoffnung ledig, Rache
und Vergeltung von dem als herannahend verkündeten Welt-
untergang erwartete. Aus den chriſtlichen Kreiſen tritt uns
eine geläuterte Hoffnung, eine allumfaſſende Charitas entgegen,
welche, mit einer, von allen Drangſalen unerſchütterten, Zuver-
ſicht, der Wiederkehr des allverſöhnenden, allbeglückenden Hei-
landes entgegenharrte. Dieſe innigen Gefühle ſprechen ſich mit-
telſt einfacher Symbole in zahlreichen Gemälden der Katakomben
aus, deren hohe Bedeutung uns in neueſter Zeit durch die nicht
genug zu preiſenden Arbeiten des Ritters Roſſi vollſtändiger
erſchloſſen wird. Die erſt bezeichneten Empfindungen liegen
den von aller weltlich-jüdiſchen Geſinnung entkleideten Hymnen
und Bildwerken zum Grunde, welche in ſpäteren Epochen des
Chriſtenthums dem Thun und Trachten der Menſchen den
nothwendigen Ernſt und die heiligende Würde, durch Hinweiſung
auf die letzten Dinge, zu ertheilen bemüht waren.
Jn den Tagen des harten äußern Druckes, ja der blutigen
 
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