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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 7.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.7148#0037
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 81 u. 82.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Sept. u. Octob. 1868.

J. Die göttliche Komödie des Dante und die Sculpturen
der Vorhalle des Münſters zu Freiburg.

des Dante und der Conſtruction der gleichzeitigen Kathe-
dralen vorwaltet, iſt ſchon von Herder, und nachmals von
Görres) hervorgehoben worden. Die reiche künſtleriſche Ver-
zierung, welche bei dem Eingang der gothiſchen Kirchen ange-
bracht wird, ſpricht durch eine überſichtliche Darſtellung der
Heilslehre, der göttlichen Führungen, welche den Menſchen aus
dem Wahn und dem Jrrthum zur Erkenntniß der Wahrheit
hinüberleiten, die ganze Bedeutung des Baues gegen den Ein-
tretenden aus. Die ganze Summe des chriſtlichen Glaubens
ſehen wir hier in den Rahmen eines geſchichtlichen Abriſſes ge-
faßt, welchem zugleich die entſprechenden Weltanſchauungen, die
Auffaſſungen der Natur und des Menſchenlebens in ſinnreicher
Weiſe eingeflochten ſind. So enthalten die Portalſculpturen im
Allgemeinen dieſelben Belehrungen, welche der Dichter, in einer
andern Darſtellungsweiſe, der chriſtlichen Welt in's Bewußt-
ſein zurückzurufen bemüht war.
Die göttliche Komödie iſt während der beiden erſten Jahr-
zehnde des XJV. Jh's. ausgearbeitet worden. Nicht lange
Zeit vorher müſſen auch die Vorhalle und das innere Portal
des Freiburger Münſters ihre bildliche Verzierung erhalten ha-
ben. Eine ganz genaue Beſtimmung läßt ſich nicht ermitteln; über
den allmähligen Fortgang des Freiburger Kirchenbau's ſind wir
überhaupt nur ſehr unvollſtändig berichtet. Die Nachricht, welche
die Jnſchrift der großen Glocke gibt, dieſe ſei im Jahre 1258
gegoſſen worden, ſcheint darauf hinzuweiſen, daß der untere
Thurmbau, deſſen Erdgeſchoß die Vorhalle der Kirche ein-
nimmt, damals vollendet war, oder doch einer nahen Vol-

Die vergleichende Zuſammenſtellung, welche die Ueber-
ſchrift des folgenden Aufſatzes als den Jnhalt desſelben angibt,
wird wohl bei manchem Leſer das ungünſtige Vorurtheil wecken,
es ſollten unweſentliche, zufällige Analogien in dem berühmteſten
Dichterwerke des Mittelalters und einem gleichzeitigen, groß-
artigen Erzeugniſſe der plaſtiſchen Kunſt hervorgefucht werden,
wodurch kein wirklich belehrendes Ergebniß gewonnen werden
könne, — es ſollte nur ein Spiel des Witzes zu Tage ge-
fördert werden, an welchem eine ernſte Kunſtforſchung achtlos
vorbeizugehen habe. Jch gebe indeſſen zu erwägen, daß, wenn
die tiefſinnigſten, das ganze Leben und Thun der Völker durch-
dringenden Jdeen, von den allgemein anerkannten Meiſtern
des Wiſſens und der Kunſt gefördert und erläutert, eine ge-
ſchichtliche Epoche beherrſchen, dann weſentlich zuſammenſtim-
mende Kundgebungen der dadurch bedingten geiſtigen Thätigkeit
in den entfernteſten Regionen, wohin das Wehen des gleichen
Geiſtes vordringt, in den verſchiedenſten Sphären, welche davon
beeinflußt werden, nothwendig hervorgerufen werden müſſen.
Die Analogie der entſtehenden Schöpfungen wird um ſo größer
ſein, wenn die leitenden Ueberzeugungen zu ihrer Veräußerlichung
auf die Benutzung überlieferter, allgemein giltiger Typen und
Symbole angewieſen ſind, welche von der Bildung und Denk-
weiſe der Zeitgenoſſen als leicht verſtändlich und wohlgefällig
aufgenommen werden.
Den Zweck, welcher dem großen italieniſchen Dichter bei der
Ausarbeitung ſeines Werkes vorſchwebte, ſpricht er ſelbſt in dem
Dedikationsſchreiben an Can Grande dahin aus: ,,die
Lebenden in dieſem Leben dem Zuſtande des Elendes zu ent-
führen und zu dem Zuſtande der Seligkeit hinzuleiten.'' Es
ſollte alſo dieſelbe Abſicht verfolgt werden, welche der Auf-
führung des chriſtlichen Kirchenbau's zum Grunde liegt, in
deſſen Ränmen der gefallene Menſch aus den Abgründen eines
ſündigen Lebens, durch Mittel der Buße und Reinigung, zur Ge-
winnung der ewigen Seligkeit hinübergeführt werden ſoll. Die
formelle Analogie, welche zwiſchen der Gliederung der Dichtung

) Der Dom von Köln und das Münſter von Straßburg. Regens-
burg 1842. S. 96: ,,Zur nämlichen Zeit, als Erwin von Steinbach
ſein großes Werk vollführt; — — baute auch er (Dante) — — das
große Muͤnſter der Poeſie, die Divina commodia auf. Pandämonium zu-
gleich und Pantheon, wie das ägyptiſche Labyrinth die Hälfte ſeiner Hallen,
eine große Krypta nnd ein anderes Purgatorium des heiligen Patrieius,
unter der Erde bergend; ſtrebt ſie von jenen Abgründen hinauf, die keine
Nacht erhellt und wo keine Liebe wohnt, in ſtets erweiterten Stufen; —
— durch die Regionen in denen ein zweifelhaftes Zwielicht langſam dämmert,
endlich am Licht des Tages durch alle Planetenhimmel kühn nach aufwärts,
bis dahin, wo im Allerheiligſten die Herrlichkeit des Herrn das Haus er-
füllt; in der alle Liebe ſich im Schauen löſt und alle einſtrömende Erkennt-
niß immer wieder ausſtrömt in Liebe und Verlangen.''
 
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