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Verehrung für den Dichter leuchtet aus all seinen Vorreden hervor und erhellt
besonders aus dem Umstand, daß er seine Lieder so liebevoll ^komponierte. Johann
Georg Ebeling war Kantor an St. Nicolai, wo Gerhardt Diakonus war. Aus diesem
allem geht hervor, daß Ebeling zweifellos mit Gerhardt in regem persönlichen
Verkehr stand, und wenn er 26 Lieder von Gerhardt persönlich empfing, so ist nicht
«inzusehen, warum er die Texte der übrigen Lieder ganz ohne Gerhardts Mitwirkung
sollte redigiert haben. Ja, es ist bei dem persönlichen Verkehr mit dem Dichter
kaum denkbar, daß er dessen Texte eigenmächtig geändert haben sollte.
vr. Aug. Ebeling meint zwar, Johann Georg Ebelings eigene Worte schließen
Gerhardts Mitwirkung geradezu aus. Diese Worte aber lauten: „Da ich denn nicht
allein die alten (Lieder) nach
dem Original des Autors über-
sehen, sondern auch gar viel
neue, vor diesem nicht gedruckte,
mit untermengete."
Nun sagt zwar vr. Aug.
Ebeling, mit diesem „Original"
sei nicht das Manuskript Ger-
hardts, sondern der erste Druck
gemeint; aber das ist doch nichts
als eine Privatansicht, und wir
haben keinerlei Grund anzu-
nehmen, daß Ioh. Georg Ebe-
ling, wenn er „Original" sagt,
nicht auch wirklich „Original"
meint. Daß diese Worte Ger-
hardts Mitwirkung aus-
sch ließen, davon kann gar
keine Rede sein: im Gegenteil
sie sind ein gewichtiger Beleg
dafür, daß Ioh. Georg Ebeling
wirklich im Besitze derGerhardt-
schen Originaltexte gewesen ist.
(Diese Aeußerung Ioh. Georg
Ebelings steht in der Vorrede
1669, bezieht sich aber auf die
erste Ausgabe 1666, da er 1669
keine neuen Lieder mehr brachte.)
„ , Bedenklicher ist schon der
L. Fahrenkrog Pharisäer und Zöllner ^and, daß Ioh. Georg
Ebeling selber schon in der
Ausgabe von 1669 an den Texten geändert hat, allerdings nicht in dem Maße,
wie die ?raxi8 pietatm inciico. Denn während diese in 18 Liedern etwa 81 Stellen
änderte, von einer Ausgabe bis zur andern, hat der Kantor Ebeling in 94 Liedern
etwa 60 Stellen geändert: das macht für Ebeling 64"/», für die Praxis aber 450°/v!
Nun ist aber in Betracht zu ziehen, daß Gerhardt 1669 nicht mehr in Berlin
weilte, daß daher Ebeling sich freier fühlen mochte, am Texte zu ändern, als bei seiner
ersten Ausgabe, die er unmittelbar unter den Augen des Dichters abfaßte. Die
Ausgabe von 1669 hat Ebeling überdies nicht mehr als Kantor in Berlin, sondern
als Professor in Stettin herausgegeben: er war also persönlich und räumlich von
Gerhardt getrennt.
Schließlich spricht noch für die Echtheit der Texte in Ebelings ersten Ausgaben
 
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