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geschaffen hat, und die Menschen nicht anders denn als Geschöpfe voll innerlichster
Seelenbewegung und voll Sehnsucht nach einer Welt der Harmonie und des Frie-
dens, nach einer Welt Gottes. Sie haben darum in weitem Umfange die religiösen
Stoffe, die für uns Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung sind, in den Kreis
Ihrer Darstellung gezogen und sind uns damit an die Seite getreten als ein Mit-
arbeiter und Freund. Karlsruhe wird von heute ab ein Sanktuarium von Ihrer
Hand erhalten, ein künstlerisch-religiöses Vermächtnis edelster Art, in dem Sie eine
Krönung Ihres Lebens erblicken. Schon lange haben Sie uns Heidelbergern eine
sehr wertvolle Gabe dargereicht, zwei reiche Schöpfungen Ihrer religiösen Phantasie,
die unsere Universitätskirche schmücken und die Anregungen des Universitätsgottes-
dienstes vertiefen und sammeln auf das eine, worauf es uns Evangelischen immer
wieder am meisten ankommt, das Vertrauen auf Gott, im Sturme des Lebens nicht
zu sinken wie Petrus, auch angesichts des Todesrätsels festzuhalten, wie Maria
Magdalena. Wie Sie überhaupt die volkstümlichen Werke Ihrer Kunst und
besonders Ihrer religiösen Kunst dem Volke zu seiner Bildung zugänglich machen
wollen, so haben Sie mit jener Doppelgabe als Bahnbrecher in unserem Lande
sich nicht für zu gut gehalten, diese Ihre hohe Kunst direkt in den Dienst der Kirche,
des evangelischen Volkes und seiner Erbauung zu stellen. Unsere evangelische Kirche
lebt nicht vom Symbol und die evangelische Theologie strebt darnach, das Göttliche
möglichst rein geistig zu erfassen. Dennoch wissen auch wir, daß sich das Uebersinn-
liche nicht erreichen läßt durch Begriffe und daß auch unsere religiöse Begriffs-
bildung hängen bleibt am Bilde. Wie viel mehr bedarf das Volk der künstlerischen
Verdeutlichung — wie viel verdankt es ihr, wenn sie zugleich natürlich und schlicht
bleibt und doch eine Verklärung ist. Die theologische Fakultät, von der Sie drei
Vertreter vor sich sehen, hat in der letzten Sitzung des vergangenen Semesters
unter besonders warmer Fürsprache des seitdem geschiedenen teueren Kollegen
Bassermann, des Universitätspredigers, beschlossen, zu dokumentieren, wie hohen
Wert sie auf solches Verständnis der Verbindung von Kunst und Religion legt
und zum besonderen Zeichen promoviert sie heute den Altmeister Hans Thoma
zum Doktor Theologie Konorlo euusa. Wie gratulieren ihm von ganzen Herzen."
Nach all den Ansprachen ging's in den neuen Kunsttempel, das Thoma-
Museum. Drei Säle nach dem Eingang tragen eine stattliche Zahl von Gemälden
die der Meister schon früher geschenkt hat. Die meisten sind seit Jahren bekannt,
so die „Schweizer Landschaft im Nebel", Skizzen zu den Freskogemälden der
Heidelberger Peterskirche, das „Paradies" u. a. Für viele neu sind die Skizzen
und Zeichnungen im 3. Saal, aus seiner Jugend, aus den 60er und 70er Jahren,
der Zeit der völligen Verkennung und Verfolgung des heute fast superlativ ge-
rühmten Meisters. Ganz neu sind die beiden, offenbar für ihn und seine eigene
Lebens- und Kunstauffassung bedeutungsvollen kreisförmigen in Tempera gemalten
Stücke, die in dem sie umgebenden Goldreif mit violetten Schleifen die Jahres-
zahl 1909 tragen. Es sind wohl Bekenntnisse über seine Stellung zur Kunst und
zur Religion. Das eine: Eine weibliche Gestalt mit der Mandoline, auf dem
Hintergrund einer frischen, friedvollen Schwarzwaldlandschaft: Durch das Medium
der Kunst spiegelt sich die geheimnisvolle Kunst der Natur in der Menschenseele,
die Künstlerseele muß das Bild gestalten, daß es schaubar wird für empfängliche
nachfühlende Menschenkinder, und was die bildende Kunst Nicht aussprechen kann
geht über ins Reich der Töne; die Natur wird von neuem reflektiert durch die Musik.
Das zweite: Ein Christophorus, deutsch gedacht und doch ganz anders als die
früheren Varianten des Meisters, ein unter der Last des Lebens und der Arbeit
gereifter, vergeistigter, gedankenschwerer Mann schreitet durchs Wasser, auf dem weit
nach vorn gebeugten Nacken das Christuskind mit dem Kreuz überm Köpflein tragend.
Der gereifte, der von Erfolgen gekrönte, der auf der Höhe des Daseins wandelnde
Mensch beugt sich freiwillig vor dem Höheren, vor dem Ewigen. Die Binsengräser
 
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