Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
hofe scheucht. Jordaens hat die große wuchtige portalartige Architekturumrahmung im
echten Brüsseler Barockstil ähnlich wie Rubens in seinen Triumphen als Einfassung ver-
wendet, wodurch die Landschaft völlig bildmäßig in die Tiefe geht.
Bezeichnend für das gleichzeitige Nebeneinander verschiedener Stile in der Brüsseler
Teppichkunst ist die um 1660 von den ersten Brüsseler Häusern im Anschluß an Giulio
Romano um 1660 gewirkte Scipiofolge. Ein Stück dieser für den Gouverneur der
Niederlande, Marquis de Parecena (1659 —1664) entstandenen Serie, das Gastmahl Scipios
beim Afrikanerfürsten Syphax vorstellend, im Berliner Handel, aus Schweden stammend,
trägt die Signatur des Henri Reydams [HR.] (Taf. 20) '). Natürlich sind die Stilisierung der
Figuren und namentlich die feine, mit gebrochenen violetten und bläulichen Tönen arbei-
tende Färbung schon in fortgeschrittenem Geschmack gehalten; auffallend sind die starke
Verwendung von Seide und der reiche Gebrauch von Silberfäden, die stellenweise stickerei-
mäßig aufliegen. Die prachtvolle Blumen- und Fruchtgirlande der Borte und die Putten
deuten bereits auf den eleganteren Stil der Rubensschüler unter französischer Einwirkung.
Die nackten Kinder insbesondere haben bereits den urwüchsigen Rubensschen Typus zu-
gunsten zarterer Anmut abgestreift. Eine gleichzeitige berühmte Folge, die Monatsbilder
nach den Kartons des Jan van den Hoecke, von Reydams, Leefdael, Leyniers und van
der Straecken, um 1660 im Auftrag des Erzherzogs Wilhelm in einer Art Konkurrenz
gewirkt, veranschaulicht den Ausklang der Rubensschule in der Bildteppichkunst (Abb. 101) * 2).
Noch herrschen die kräftigen flämischen Menschentypen, die rundlichen muskulösen Frauen
und dicken blondlockigen Kinder, die reichen Blumen- und Fruchtgebinde in der Art
des Breughel und Herkules Seghers, die Tierstilleben nach Snyders Weise. Doch wie in
den architektonischen Gebälken und Säuleneinfassungen die schwere belgische Muschel-
und Knorpelform des Quellinus und Francquart verdrängt wird und die strengere klassische
Fassung hervortritt, so gewahrt man in den Figuren gleichfalls ein wenn auch noch
zurückhaltendes Streben auf Schlankheit wie auf Eleganz.
Im Verlaufe der siebziger Jahre gewinnt der französische Barockstil durch die inzwi-
schen erfolgte Gründung der Pariser Gobelinmanufaktur tonangebenden Einfluß auf die
Brüsseler Teppichwirkerei. Ein Teil der Meisterwirker, die Colbert zur Gründung der
Pariser Manufaktur heranzog, waren Niederländer, wie Jan Jans von Audenarde, und da-
durch schon wurde eine enge Verbindung zwischen den belgischen und dem Pariser Institut
bewirkt. Lebrunsche Kompositionen, wie die berühmte Alexanderschlacht, wurden in
Brüssel kopiert3). Ein bezeichnendes Beispiel für die Stilumbildung nach dem Pariser
tapisseries histoirees bruxelloises. Andere Ausführungen in der Wiener Sammlung (Katalog der
Gobelinausstellung Nr. 35—38'und auf Schloß Nachod in Böhmen. In Wien befindet sich ferner
nach Jordaens Zeichnungen die schöne Folge »Reitunterricht Ludwigs XIII. von Frankreich« von
Everard Leyniers und Henry Reydams vor 1666 (Katalog 32—34).
*) 1920 in der Kunsthandlung von Paul Cassirer, Berlin. Vgl. die wichtige Arbeit von d’Astier,
La belle tapisserie du Roy (1532—1797) et les tentures de Scipion d’Africain. Paris 1907.
2) Hier abgebildet ein Karton von Jaen van den Hoecke (J 1651) in der Wiener Staatsgalerie,
Die von Everard Leyniers u. a. gewirkte Folge der Monate in der Wiener Gobelinsammlung
(Zweiter Katalog Nr. 65—66), eine zweite Ausgabe in dem Stockholmer Kgl. Schloß abgeb. in
dem großen Werke von Böttiger, Svenska Statens Sämling af Väfda Tapeter. Stockholm 1895—98.
-— Eng verwandt die nach van den Hoecke von Everard Leyniers gewirkten Teppiche die »Nacht«
und »Tag und Nacht« in Wien. Zweiter Katalog Nr. 64.
3) Beispiele in den Schlössern von Meiningen und Würzburg.

128
 
Annotationen