KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
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nische Ausführung mit der charakteristischen tro-
cken aus dem Halbton gestupften, stark plastischen
Hell-Dunkel-Modellierung, der reiche Fundus an
Gewand- und Hintergrundornamenten mit groß-
flächigen Damastmustern sowie komplexer spät-
gotischer Architekturbaldachine und nicht zuletzt
das besondere Typenvokabular mit den maskenhaft
erstarrten Gesichtszügen und markant schwarzen
Pupillen sind so eindeutig am Vorbild der Straßbur-
ger Meister orientiert, dass die Zusammenstellung
des CEuvre-Katalogs dieser ersten Ȋlteren Werk-
stattrichtung« Veit Hirsvogels d.Ä., die bis Mitte
des ersten Jahrzehnts die Produktion bestimmte,
wenig Schwierigkeiten bereitet60.
Mit der Neustiftung des Bamberger Fensters von
1501/02 im Ostchor von St. Sebald ist zudem eines
der frühen Schlüsselwerke erhalten geblieben, das
auch durch die Bamberger Hofkammerrechnungen
für Meyster Veiten, Glaser zu Nürmberg gesichert
ist (s. Reg. Nr. 11). Am Bamberger Fenster, dessen
Entwurf von Karl-Adolf Knappe überzeugend
Albrecht Dürer zugewiesen wurde61, sind an der
Ausführung eines kleineren Teils aber bereits jün-
gere Werkstattkräfte beteiligt, deren Stilsprache
nicht mehr dem Vorbild der Straßburger Glasma-
ler verpflichtet ist, die vielmehr bemüht waren, den
modernen Zeichenduktus der Vorlagen Dürers so
getreu wie möglich ins Glasgemälde zu übertragen.
Fig. 19, 20. Hl. Petrus aus dem Bamberger Fenster. Nürnberg, St. Sebald,
Chor n II, 4b. Nürnberg, 1501/02 (Hirsvogel-Werkstatt). - Petruskarton.
London, British Museum, Inv. Nr. 1882-3-11-60 (Albrecht Dürer).
Diese »jüngere Werkstattrichtung«, die am Bamberger Fenster besonders an den Köpfen der Bistumsgründer, den
Hll. Heinrich und Kunigunde, sowie dem Stifterbild des Bischofs Philipp von Henneberg in Erscheinung tritt (vgl.
Fig. 140, 148, Abb. 32L, 35), beherrscht schon bald die Werkstattproduktion, wobei die Auseinandersetzung mit der
Zeichenweise verschiedener Entwerfer des engeren Dürerkreises, und hier ab Ende des ersten Jahrzehnts namentlich
Hans von Kulmbachs, nach und nach in einen unverwechselbaren zweiten Werkstattstil münden, der sich je nach Art
und Rang des Auftrags in mehr oder weniger sorgfältiger Spielart manifestiert62.
Neben klassischen Werken monumentaler Glasmalerei der frühen Zeit bis gegen 1510, die sich auch in zahlreichen
Rechteckwappen in der Frauenkirche und aus dem Heilig-Geist-Spital greifen lassen, hat die Werkstatt auch den
Markt für kleinformatige Kabinettscheiben bedient, die meist in Form sog. Monolithscheiben in Grisaillemalerei mit
Silbergelb ausgeführt wurden63. Dass sich hierin in der Zeit bis kurz vor Ende des ersten Jahrzehnts des 16. Jahr-
hunderts ein Personalstil bzw. eine besondere Kabinettscheiben-Abteilung innerhalb des Ateliers hervorgetan hat,
lässt sich anhand maltechnischer Besonderheiten wahrscheinlich machen, die über einen längeren Zeitraum hinweg
das betreffende Schaffen dominieren. Bekanntestes und zugleich vielumstrittenes Beispiel ist der gleich in mehreren
Ausführungen für das lokale Benediktinerkloster St. Egidien geschaffene Benediktszyklus nach Entwürfen der Dü-
rer-Werkstatt (s. ausführlich S. 341—375). Die umfangreichste, 1501 für die Fenster des Kreuzgangs geschaffene Fas-
sung mit über 26 Szenen aus dem legendären Leben des Ordensvaters einschließlich lateinischer Tituli aus der Feder
des Humanisten Jakob Locher ist bei dem verheerenden Brand des Klosters 1696 untergegangen, doch von einer auf
16 Scheiben verkürzten Folge, die bereits ein Jahr zuvor 1500 als Stiftung verschiedener Glieder der Patrizierfamilie
Tetzel für das Refektorium zur Ausführung gelangt war, haben immerhin noch drei das Inferno überstanden; zwei be-
finden sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston, eine
vormals im Schlossmuseum Gotha aufbewahrte Scheibe ist seit 1945 verschollen (s. S. 373-375, Fig. 301-303). Trotz
weitgehend exakter Anlehnung an den graphischen Duktus der Vorlagen kommt das zeichnerische Temperament des
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nische Ausführung mit der charakteristischen tro-
cken aus dem Halbton gestupften, stark plastischen
Hell-Dunkel-Modellierung, der reiche Fundus an
Gewand- und Hintergrundornamenten mit groß-
flächigen Damastmustern sowie komplexer spät-
gotischer Architekturbaldachine und nicht zuletzt
das besondere Typenvokabular mit den maskenhaft
erstarrten Gesichtszügen und markant schwarzen
Pupillen sind so eindeutig am Vorbild der Straßbur-
ger Meister orientiert, dass die Zusammenstellung
des CEuvre-Katalogs dieser ersten Ȋlteren Werk-
stattrichtung« Veit Hirsvogels d.Ä., die bis Mitte
des ersten Jahrzehnts die Produktion bestimmte,
wenig Schwierigkeiten bereitet60.
Mit der Neustiftung des Bamberger Fensters von
1501/02 im Ostchor von St. Sebald ist zudem eines
der frühen Schlüsselwerke erhalten geblieben, das
auch durch die Bamberger Hofkammerrechnungen
für Meyster Veiten, Glaser zu Nürmberg gesichert
ist (s. Reg. Nr. 11). Am Bamberger Fenster, dessen
Entwurf von Karl-Adolf Knappe überzeugend
Albrecht Dürer zugewiesen wurde61, sind an der
Ausführung eines kleineren Teils aber bereits jün-
gere Werkstattkräfte beteiligt, deren Stilsprache
nicht mehr dem Vorbild der Straßburger Glasma-
ler verpflichtet ist, die vielmehr bemüht waren, den
modernen Zeichenduktus der Vorlagen Dürers so
getreu wie möglich ins Glasgemälde zu übertragen.
Fig. 19, 20. Hl. Petrus aus dem Bamberger Fenster. Nürnberg, St. Sebald,
Chor n II, 4b. Nürnberg, 1501/02 (Hirsvogel-Werkstatt). - Petruskarton.
London, British Museum, Inv. Nr. 1882-3-11-60 (Albrecht Dürer).
Diese »jüngere Werkstattrichtung«, die am Bamberger Fenster besonders an den Köpfen der Bistumsgründer, den
Hll. Heinrich und Kunigunde, sowie dem Stifterbild des Bischofs Philipp von Henneberg in Erscheinung tritt (vgl.
Fig. 140, 148, Abb. 32L, 35), beherrscht schon bald die Werkstattproduktion, wobei die Auseinandersetzung mit der
Zeichenweise verschiedener Entwerfer des engeren Dürerkreises, und hier ab Ende des ersten Jahrzehnts namentlich
Hans von Kulmbachs, nach und nach in einen unverwechselbaren zweiten Werkstattstil münden, der sich je nach Art
und Rang des Auftrags in mehr oder weniger sorgfältiger Spielart manifestiert62.
Neben klassischen Werken monumentaler Glasmalerei der frühen Zeit bis gegen 1510, die sich auch in zahlreichen
Rechteckwappen in der Frauenkirche und aus dem Heilig-Geist-Spital greifen lassen, hat die Werkstatt auch den
Markt für kleinformatige Kabinettscheiben bedient, die meist in Form sog. Monolithscheiben in Grisaillemalerei mit
Silbergelb ausgeführt wurden63. Dass sich hierin in der Zeit bis kurz vor Ende des ersten Jahrzehnts des 16. Jahr-
hunderts ein Personalstil bzw. eine besondere Kabinettscheiben-Abteilung innerhalb des Ateliers hervorgetan hat,
lässt sich anhand maltechnischer Besonderheiten wahrscheinlich machen, die über einen längeren Zeitraum hinweg
das betreffende Schaffen dominieren. Bekanntestes und zugleich vielumstrittenes Beispiel ist der gleich in mehreren
Ausführungen für das lokale Benediktinerkloster St. Egidien geschaffene Benediktszyklus nach Entwürfen der Dü-
rer-Werkstatt (s. ausführlich S. 341—375). Die umfangreichste, 1501 für die Fenster des Kreuzgangs geschaffene Fas-
sung mit über 26 Szenen aus dem legendären Leben des Ordensvaters einschließlich lateinischer Tituli aus der Feder
des Humanisten Jakob Locher ist bei dem verheerenden Brand des Klosters 1696 untergegangen, doch von einer auf
16 Scheiben verkürzten Folge, die bereits ein Jahr zuvor 1500 als Stiftung verschiedener Glieder der Patrizierfamilie
Tetzel für das Refektorium zur Ausführung gelangt war, haben immerhin noch drei das Inferno überstanden; zwei be-
finden sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston, eine
vormals im Schlossmuseum Gotha aufbewahrte Scheibe ist seit 1945 verschollen (s. S. 373-375, Fig. 301-303). Trotz
weitgehend exakter Anlehnung an den graphischen Duktus der Vorlagen kommt das zeichnerische Temperament des