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PFARRKIRCHE ST. SEBALD
5. In der Nordsakristei haben sich zwei von ehemals drei Kabinettscheiben einer Pirckheimer-Stiftung (die dritte
befindet sich heute im Pfarrhofchörlein) sowie eine Einzelscheibe der Kreuzigung erhalten.
6. Der Bestand der nach 1550 entstandenen Glasmalereien umfasst neben dem 1601 erneuerten Imhoff-Fenster
(SÜD VIII, oberhalb der Kramer-Empore) mit seinen insgesamt 44 Feldern weitere 52 Scheiben, in der Hauptsache
Rundwappen, die sämtlich in einem Anhang, jeweils mit Angabe der Maße sowie, wenn vorhanden, der Inschriften
aufgelistet sind; vgl. S. 296-298.
Geschichte des Baues: Als älteste und bis ins frühe 14. Jahrhundert einzige Pfarrkirche Nürnbergs wurde der
dem legendären Geistlichen und Stadtpatron Sebald geweihte spätromanische Bau anstelle einer Peterskapelle ab etwa
1230/40 errichtet1. Mutterkirche blieb bis in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts noch St. Peter und Paul in Poppen-
reuth2. Bauliches Vorbild für die gewölbte Pfeilerbasilika mit der für Pfarrkirchen ungewöhnlichen Doppelchoranlage
mit westlichem Turmpaar, östlichem Querschiff und Krypten im Westen und im Osten war der 1237 vollendete Bam-
berger Dom3. Alle am Langhaus von St. Sebald festgestellten Steinmetzzeichen sind auch in Bamberg vertreten, und
zwar durchgehend am Westbau, dessen Errichtung in das Jahrzehnt von 1225 bis 1235 fällt4. Am 13. Juli 1255 verlieh
der Bamberger Weihbischof Heinrich von Streitberg, Bischof von Samland, den Teilnehmern des Weiheakts des in
parochia sancti Sebaldi in Nurenberc gelegenen St. Stephanusaltars verschiedene Ablässe5. Ein Ablassbrief desselben
Bischofs vom 1. Oktober 1256 für Kirchenbesuch und Almosen an den Festtagen der Patrone Petrus und Paulus, Sebald
und Kirchweih setzt voraus, dass die Kirche in den Hauptteilen - Ostchor und Langhaus - bereits benutzbar war6. Mit
der Errichtung des Westchores und der Weihe vom 9. September 1274 durch den Bamberger Bischof Berthold von Lei-
ningen kam der Bau zu einem vorläufigen Abschluss7, wobei eine auffällige Häufung von Ablässen für die Ausstattung
- unter anderem auch für Fenster (s.u.) - in den Jahren 1273-1275 zu verzeichnen ist (vgl. Reg. Nr. i)8.
Dieser spätromanische Bau, von dem das Mittelschiff und der Westchor noch im heutigen Baukörper erhalten sind9,
erwies sich schon bald nach Fertigstellung als zu klein bemessen. So begann man im Jahr 1309 mit dem Verkauf von
Kirchengut, um die Mittel für eine Erweiterung der Kirche zu beschaffen. Im Auftrag von Rat, Bürgerschaft und
Schöffen verkaufte Friedrich Holzschuher, der erste namentlich bekannte Kirchenpfleger bei St. Sebald, ein in Nürn-
berg bei den Fleischbänken gelegenes, der Kirche gehörendes Anwesen an seinen Verwandten Herdegen Holzschuher,
swae daz wer, durch des newen powes wegen an sente Sebol[t]s kirchen, daz man den dest baz moecht Volbringen an
den apseiten{Q. Der seinerzeit begonnene Umbau zur Verbreiterung der Seitenschiffe (»Abseiten«) auf die Fluchtlinie
des Querhauses, in dessen Zusammenhang die Kirche zugleich vier mit Figuren geschmückte Portale erhielt11, konnte
nicht als wesentliche Entlastung für den angewachsenen Pfarrsprengel betrachtet werden. Angesichts einer enormen
Bevölkerungsexplosion trat die Notwendigkeit einer merklichen Erweiterung der Hauptpfarrkirche immer dringender
in den Vordergrund, sodass schließlich anstelle der eher bescheiden dimensionierten Ostpartien - bestehend aus einem
zweiwöchigen, halbrund geschlossenen Ostchor mit zwei Nebenapsiden12 - ein gewaltiger spätgotischer Hallenchor er-
richtet wurde. Neben der wachsenden Bevölkerungszahl dürften freilich weitere Faktoren kaum weniger entscheidend
für den Neubau gewesen sein: so das erstarkte Repräsentationsbedürfnis aufseiten des Nürnberger Rats als Bauherrn
1 Zu Geschichte und Baugeschichte: Hoffmann 1912, S. 13-74, wohl
mit etwas zu früh angesetztem Baubeginn »ab 1225«; Fries 1928, S.
6-10, datiert 1237-1273, wobei er den Baubeginn in das Jahr der Weihe
des vorbildlichen Bamberger Westbaues verlegt, dessen Bautrupps nach
Abschluss der Bamberger Arbeiten in größerer Anzahl nach Nürnberg
übergesiedelt seien; Lutze 1939, S. 14-25; Kurzinventar U979/82, S.
iiif.; Marx 1984, S. 36-62; Hertlein/Kulke 2000.
2 Reicke 1926, S. 21-38.
Zur Chronologie des Bamberger Dombaues vgl. Winterfeld 1979,
S. 32-35 (Renate Neumüllers-Klauser) und S. 141-143.
4 Lutze 1939, S. 15L Dagegen hat Winterfeld 1979, S. 146, in Ab-
rede gestellt, dass die Ausstrahlung Bambergs u.a. auf St. Sebald »als
Folge wandernder Steinmetztrupps angesehen« werden könne.
5 Deinhardt 1936, S. 26, Nr. 36; NUB 1959, S. 220, Nr. 361. Nach
Machilek 1979, S. 145L, setzt »die Weihe des Stephansaltars, wie die
Angabe gelegen in der Pfarrkirche St. Sebald erweist, die Weihe des
östlichen Hauptchores mit dem St. Sebald geweihten Hauptaltar vor-
aus«. Vgl. dagegen Weilandt 2007, S. 21, der dies mit Hinweis auf die
feierliche Schlussweihe von 1274 für wenig wahrscheinlich hält.
6 NUB 1959, S. 224, Nr. 367.
7 Deinhardt 1936, S. 28, Nr. 40; NUB 1959, S. 290L, Nr. 468; Ma-
chilek 1979, S.147.
Vgl. Hoffmann 1912, S. 213L, Nr. 3-6; Machilek 1979, S. 147;
Weilandt 2007, S. 21.
Hierzu ausführlich mit Detailaufnahmen von Architektur und bau-
plastischem Schmuck Hoffmann 1912, S. 13-38.
U Zitiert nach Hoffmann 1912, S. 216, Nr. 18; vgl. Schaper 1979,
S. 160.
11 Brautportal (n IX; im Mittelalter »Ehetür« genannt) und Drei-
königsportal (s IX; im Mittelalter »Schultür« genannt) im Osten, Mari-
enkrönungsportal (n XIII; im Mittelalter »Tauftür« genannt) und Weh-
gerichtsportal (s XIII; im Mittelalter »Tür bei der Waage« genannt) im
Westen; vgl. Martin 1927, S. 13-39 mit Abb. 66-95; Marx 1984, S. 43;
Weilandt 2007, S. 27-49. Zum Bauverlauf der Seitenschiff-Erweite-
rung vgl. die Beobachtungen von Hertlein/Kulke 2000, S. 41-47.
12 Grundriss ebenda, Falttafel nach S. 12.
PFARRKIRCHE ST. SEBALD
5. In der Nordsakristei haben sich zwei von ehemals drei Kabinettscheiben einer Pirckheimer-Stiftung (die dritte
befindet sich heute im Pfarrhofchörlein) sowie eine Einzelscheibe der Kreuzigung erhalten.
6. Der Bestand der nach 1550 entstandenen Glasmalereien umfasst neben dem 1601 erneuerten Imhoff-Fenster
(SÜD VIII, oberhalb der Kramer-Empore) mit seinen insgesamt 44 Feldern weitere 52 Scheiben, in der Hauptsache
Rundwappen, die sämtlich in einem Anhang, jeweils mit Angabe der Maße sowie, wenn vorhanden, der Inschriften
aufgelistet sind; vgl. S. 296-298.
Geschichte des Baues: Als älteste und bis ins frühe 14. Jahrhundert einzige Pfarrkirche Nürnbergs wurde der
dem legendären Geistlichen und Stadtpatron Sebald geweihte spätromanische Bau anstelle einer Peterskapelle ab etwa
1230/40 errichtet1. Mutterkirche blieb bis in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts noch St. Peter und Paul in Poppen-
reuth2. Bauliches Vorbild für die gewölbte Pfeilerbasilika mit der für Pfarrkirchen ungewöhnlichen Doppelchoranlage
mit westlichem Turmpaar, östlichem Querschiff und Krypten im Westen und im Osten war der 1237 vollendete Bam-
berger Dom3. Alle am Langhaus von St. Sebald festgestellten Steinmetzzeichen sind auch in Bamberg vertreten, und
zwar durchgehend am Westbau, dessen Errichtung in das Jahrzehnt von 1225 bis 1235 fällt4. Am 13. Juli 1255 verlieh
der Bamberger Weihbischof Heinrich von Streitberg, Bischof von Samland, den Teilnehmern des Weiheakts des in
parochia sancti Sebaldi in Nurenberc gelegenen St. Stephanusaltars verschiedene Ablässe5. Ein Ablassbrief desselben
Bischofs vom 1. Oktober 1256 für Kirchenbesuch und Almosen an den Festtagen der Patrone Petrus und Paulus, Sebald
und Kirchweih setzt voraus, dass die Kirche in den Hauptteilen - Ostchor und Langhaus - bereits benutzbar war6. Mit
der Errichtung des Westchores und der Weihe vom 9. September 1274 durch den Bamberger Bischof Berthold von Lei-
ningen kam der Bau zu einem vorläufigen Abschluss7, wobei eine auffällige Häufung von Ablässen für die Ausstattung
- unter anderem auch für Fenster (s.u.) - in den Jahren 1273-1275 zu verzeichnen ist (vgl. Reg. Nr. i)8.
Dieser spätromanische Bau, von dem das Mittelschiff und der Westchor noch im heutigen Baukörper erhalten sind9,
erwies sich schon bald nach Fertigstellung als zu klein bemessen. So begann man im Jahr 1309 mit dem Verkauf von
Kirchengut, um die Mittel für eine Erweiterung der Kirche zu beschaffen. Im Auftrag von Rat, Bürgerschaft und
Schöffen verkaufte Friedrich Holzschuher, der erste namentlich bekannte Kirchenpfleger bei St. Sebald, ein in Nürn-
berg bei den Fleischbänken gelegenes, der Kirche gehörendes Anwesen an seinen Verwandten Herdegen Holzschuher,
swae daz wer, durch des newen powes wegen an sente Sebol[t]s kirchen, daz man den dest baz moecht Volbringen an
den apseiten{Q. Der seinerzeit begonnene Umbau zur Verbreiterung der Seitenschiffe (»Abseiten«) auf die Fluchtlinie
des Querhauses, in dessen Zusammenhang die Kirche zugleich vier mit Figuren geschmückte Portale erhielt11, konnte
nicht als wesentliche Entlastung für den angewachsenen Pfarrsprengel betrachtet werden. Angesichts einer enormen
Bevölkerungsexplosion trat die Notwendigkeit einer merklichen Erweiterung der Hauptpfarrkirche immer dringender
in den Vordergrund, sodass schließlich anstelle der eher bescheiden dimensionierten Ostpartien - bestehend aus einem
zweiwöchigen, halbrund geschlossenen Ostchor mit zwei Nebenapsiden12 - ein gewaltiger spätgotischer Hallenchor er-
richtet wurde. Neben der wachsenden Bevölkerungszahl dürften freilich weitere Faktoren kaum weniger entscheidend
für den Neubau gewesen sein: so das erstarkte Repräsentationsbedürfnis aufseiten des Nürnberger Rats als Bauherrn
1 Zu Geschichte und Baugeschichte: Hoffmann 1912, S. 13-74, wohl
mit etwas zu früh angesetztem Baubeginn »ab 1225«; Fries 1928, S.
6-10, datiert 1237-1273, wobei er den Baubeginn in das Jahr der Weihe
des vorbildlichen Bamberger Westbaues verlegt, dessen Bautrupps nach
Abschluss der Bamberger Arbeiten in größerer Anzahl nach Nürnberg
übergesiedelt seien; Lutze 1939, S. 14-25; Kurzinventar U979/82, S.
iiif.; Marx 1984, S. 36-62; Hertlein/Kulke 2000.
2 Reicke 1926, S. 21-38.
Zur Chronologie des Bamberger Dombaues vgl. Winterfeld 1979,
S. 32-35 (Renate Neumüllers-Klauser) und S. 141-143.
4 Lutze 1939, S. 15L Dagegen hat Winterfeld 1979, S. 146, in Ab-
rede gestellt, dass die Ausstrahlung Bambergs u.a. auf St. Sebald »als
Folge wandernder Steinmetztrupps angesehen« werden könne.
5 Deinhardt 1936, S. 26, Nr. 36; NUB 1959, S. 220, Nr. 361. Nach
Machilek 1979, S. 145L, setzt »die Weihe des Stephansaltars, wie die
Angabe gelegen in der Pfarrkirche St. Sebald erweist, die Weihe des
östlichen Hauptchores mit dem St. Sebald geweihten Hauptaltar vor-
aus«. Vgl. dagegen Weilandt 2007, S. 21, der dies mit Hinweis auf die
feierliche Schlussweihe von 1274 für wenig wahrscheinlich hält.
6 NUB 1959, S. 224, Nr. 367.
7 Deinhardt 1936, S. 28, Nr. 40; NUB 1959, S. 290L, Nr. 468; Ma-
chilek 1979, S.147.
Vgl. Hoffmann 1912, S. 213L, Nr. 3-6; Machilek 1979, S. 147;
Weilandt 2007, S. 21.
Hierzu ausführlich mit Detailaufnahmen von Architektur und bau-
plastischem Schmuck Hoffmann 1912, S. 13-38.
U Zitiert nach Hoffmann 1912, S. 216, Nr. 18; vgl. Schaper 1979,
S. 160.
11 Brautportal (n IX; im Mittelalter »Ehetür« genannt) und Drei-
königsportal (s IX; im Mittelalter »Schultür« genannt) im Osten, Mari-
enkrönungsportal (n XIII; im Mittelalter »Tauftür« genannt) und Weh-
gerichtsportal (s XIII; im Mittelalter »Tür bei der Waage« genannt) im
Westen; vgl. Martin 1927, S. 13-39 mit Abb. 66-95; Marx 1984, S. 43;
Weilandt 2007, S. 27-49. Zum Bauverlauf der Seitenschiff-Erweite-
rung vgl. die Beobachtungen von Hertlein/Kulke 2000, S. 41-47.
12 Grundriss ebenda, Falttafel nach S. 12.