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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg: Sebalder Stadtseite — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.52871#0398
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FRAUENKIRCHE

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Geschichte des Baues: Die Nürnberger Frauenkirche
ist auf einzigartige Weise mit der Person Karls IV. als dem
eigentlichen Initiator des Baus verbunden. Anlass für die
Errichtung einer Marienkirche gab - und hier steht das
Nürnberger Beispiel nicht allein - die Verfolgung und
Vertreibung der Juden. Mit der »Markturkunde« vom 16.
November 1349 hatte König Karl IV. den Nürnbergern
die Erlaubnis erteilt, das in der Pegnitzniederung gele-
gene Judenviertel samt der Synagoge abzubrechen, um an
deren Stelle den Hauptmarkt anlegen zu können: haben
wir den ratleuten und bürgeren da seihest ze Nuremberg
irlaubet und erlauben auch mit disem brief, daz si alle
di Judenhauser zu Nuremberg, di gelegen sint zwischen
Frantzen des Hallers und Fritzzen des Beheims heuser,
und dar zu die Judenschul und die vier Judenheuser, di
czu mittelst zwischen den zwein strazzen und gegen Ulri-
ches des Stromayrs haus gelegen sint, brechen mugen unnd
sullen unnd dar auz zwene pletzze machen, dy ewiclichen
also bleiben und zu der stat gemeiniclich gehören, unnd
also, daz für baz nymermer da uf kein haus sol gemachet
werden. Er verfügte ferner: daz man aus der judenschul
sol machen eine kirchen in Sant Marien ere, unser frawen,
und di legen uf den grozzen platz an ain sulch stat, da ez
die burger aller peste dunketf Im Zuge der anhaltenden
Auseinandersetzungen zwischen den Parteien der Wit-
telsbacher und der Luxemburger im Kampf um die Kö-
nigskrone, in die auch der Nürnberger Aufruhr-Rat von
1348/49 verwickelt war1 2, verfügte Karl als Herr über die
Juden, dessen Kammerknechte sie waren, über deren ge-
samten Besitz zugunsten der Stadt und schenkte die an-
sehnlichen Judenhäuser, die für den großen Marktplatz
nicht abgebrochen werden mussten, seinen besonderen
Günstlingen unter den Nürnberger Patriziern und an-
deren Parteigängern. Die offenbar von langer Hand ge-
plante Vertreibung der Juden aus der Stadt, von der uns
Ulman Stromer eine zeitgenössische Erwähnung hinter-


Fig. 321. Nürnberg, Frauenkirche. Grundriss des Baues
im Maßstab 1:300.

lassen hat, war von höchster Stelle abgesegnet, und Karl hatte den Nürnbergern - in eklatantem Widerspruch zur Ob-
hutspflicht des Königs gegenüber den Juden im Reich - bereits im Voraus Absolution erteilt, falls jene dabei Schaden
nehmen sollten3. Dieses durch den Gesandten der Stadt, Ulrich Stromer, gen. am Zotenberg, persönlich bei Karl IV.

1 Die Zusammenstellung der historischen Quellen bei Ernst Mum-
menhoff, Studien zur Geschichte und Topographie des Nürnberger
Marktplatzes und seiner Umgebung. 4. Vertreibung der Juden im
Jahre 1349 und Abbruch und Verschenkung der Judenhäuser, in: Auf-
sätze und Vorträge zur Nürnberger Ortsgeschichte, Nürnberg 1931,
S. 223-243. - Markturkunde, Prag, 1349, Nov. 16 (StAN, Rep. ta,
Rst. Nürnberg, Kaiserl. Privilegien, Urk. Nr. 77; MGH, Const. IX,
Nr. 616). - Zu Geschichte und Baugeschichte: Bräutigam 1961,
S. 38-75, hier besonders S. 38-44; Bräutigam 1965, S. 170-197; zu-
letzt Blohm 1993, S. 109-118.
2 Die reichspolitischen Wirren der Jahre 1348/49 und die Rolle, die
Nürnberg dabei spielte, sind ausführlich dargestellt bei Wolfgang von
Stromer, Die Metropole im Aufstand gegen König Karl IV. Nürnberg

zwischen Wittelsbach und Luxemburg Juni 1348-September 1349, in:
MVGN 65, 1978, S. 55-90; einen Überblick anhand der Quellen ver-
schaffen die Regesten der Urkunden Karls IV., Regesta Imperii VIII,
bes. Nr. 385-1068.
3 MGH, Const. IX, Nr. 592; vgl. Willehad Paul Eckert, Die Juden im
Zeitalter Karls IV., in: Seibt 1978, S. 123-130, hier S. 129; vgl. Stromer
1978, S. 84: »Die Austreibung der Nürnberger Juden und die Aneig-
nung ihrer Häuser und Habe war seit dem 25. Juni, womöglich schon
seit dem 6. April 1349, eine von König Karl mit allen Konsequenzen
zugestandene ... einschließlich der Absicht >wann die nun demnächst
erschlagen werdem eine beschlossene Sache«; vgl. Regesta Imperii
VIII, Nr. 6026 (1349 IV 6): Übergabe von mehreren Judenhäusern an
Arnold von Seckendorff, einen Parteigänger Karls IV., für den Fall,
 
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