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PFARRKIRCHE ST. SEBALD
sie auch in Halbfigur erscheint. Dass zunächst die schmerzens-
reiche, vom Schwert des Mitleidens durchbohrte Gottesmutter
dargestellt werden sollte, könnte - wie im Fall des im Entwurf
benachbarten, später ebenfalls verworfenen Apostelpaares Si-
mon und Judas Thaddäus - unter Umständen als Reminiszenz
an das Bildprogramm des Vorgängerfensters bzw. als Konzes-
sion an die benachbarte Verehrungszone gedacht gewesen sein,
doch die Wahl scheint eher persönliche Motive aufseiten der
Stifter widerzuspiegeln600.
Formal steht die ausgeführte Gewandfigur einem kleinen Schei-
benriss Hans von Kulmbachs in Dresden nahe, der das An-
dachtsbild in gegensinniger Anordnung, doch bei annähernd
identischem Fall des Mantels wiedergibt (Fig. i6o)601.
CVMA W 7298, Großdia RT 03/47
8c JOHANNES BAPTISTA Fig. 23, 153, 15 8f., Abb. 39, 41, 53
H. 104,7-105,2 cm, B. 39,5 cm.
Erhaltung: Vollständig alte Glassubstanz. Bemalung weitge-
hend reduziert. Der Spinnensprung im Kopf des Täufers ist
rückseitig doubliert. Neuverbleiung Frenzei.
Ikonographie, Komposition: Anstelle des in der Dresdner Visie-
rung vorgesehenen Apostelpaares Simon und Judas Thaddäus
wurde der besondere Schutzpatron des Hauses Brandenburg,
Johannes der Täufer, dargestellt, wofür, wie Bürger hervorge-
hoben hat, nicht nur die Häufigkeit des Vornamens Johann in
der markgräflichen Familie zeugt, sondern auch der Umstand,
dass sämtliche zollerischen Guldenprägungen vom 14. Jh. bis
1538 auf einer Seite das Bild des Täufers tragen602.
Im Hinblick auf die Arbeitsmethoden der Glasmaler ist anzu-
merken, dass für die Figur auf einen älteren Karton Hans Bal-
dungs zurückgegriffen wurde, der bereits für das Loeffelholz-
Fenster in St. Lorenz um 1506 Verwendung gefunden hatte603.
CVMA W 7299, Großdia RT 03/48
8a/d und 9a-d GIEBELBEKRÖNUNG MIT PUTTEN
Fig. 23, 153, 158!., Abb. 39
H./B.: 8a: 105/40, 8d: 105,5/40 cm; 9a: 105/40, 9b: 104,7/39-39,5,
9c: 104,7/38-39,5, 9d: 105/39,5-40 cm.
Erhaltung: Geringfügig ergänzt. Bemalung mehr oder weniger
stark berieben, doch im Wesentlichen noch gut ablesbar. Zwei
stärker gesprungene Gläser rückseitig doubliert. Neuverblei-
ung Frenzei.
Ikonographie, Komposition: Der schlichte, hellgraue Skelett-
bau der rahmenden Architektur mit seinen massiven vertika-
len Eckpfeilern und den eleganten horizontalen Stockwerk-
gesimsen ist in der Heiligenzone des Obergeschosses durch
vorgestellte purpurrosa Säulen eigens ausgezeichnet. Diese tra-
gen ein vorspringendes Gebälk mit zierlichen Vasen, dahinter
erhebt sich leicht zurückversetzt als Abschluss nach oben ein
niedriger Dreiecksgiebel, flankiert von kleinen seitlichen Py-
lonen, darauf sitzen geflügelte Putten mit Fanfaren, die wohl
den Ruhm des Markgrafenhauses verkörpern. Die ehedem weit
in die Butzenumgebung der nächsten Fensterzeile hinaufrei-
chenden Blasinstrumente, die auf Vorkriegsaufnahmen noch
zu sehen sind, wurden im Krieg offenbar nicht geborgen und
sind verloren. Dass das Zentrum über der Giebelspitze ehemals
durch ein der Feuerschale des Entwurfs vergleichbares, eben-
falls verlorenes Motiv bekrönt gewesen war, ist angesichts der
tatsächlichen Stärke des Fensterpfostens an dieser Stelle eher
unwahrscheinlich.
Ornament: Architrav und Giebelfeld sind mit ornamentalen
Grotesken, Delphinen, Schalen und Blattmotiven gefüllt, wie
sie in zeitgenössischen druckgraphischen Werken verfügbar
waren (vgl. oben S. 229).
CVMA W 7297, 7300-7304
CHORFENSTER süd III (PFINZING-FENSTER)
Fig. 25, 29, i6if., 167-171, Abb. 73-98
Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 15 m, B. ca. 2,10 m.
Die 32 Rechteckfelder umfassende Gesamtkomposition der Fenster-Neustiftung von 1515 füllt die erste bis achte Zeile
aus. Sollten Fackeln und Blütengirlanden ehemals in die 9. Zeile hinaufgereicht haben, so war davon bereits vor der
Kriegsbergung nichts mehr erhalten, wie die Vorkriegsaufnahmen beweisen.
Gesamtaufnahmen: CVMA Archiv (Aufnahme um 1910); RT o6/o42a und b
98/225L (Montagen aus Einzelaufnahmen der Werkstatt van Treeck)
Die Inschrift im Fenster nennt als Stifter SIEGFRIDUS PFINZING SIBISUISQ MDXV (Seyfried Pfinzing für sich
und seine Angehörigen, 1515). Da dieser bereits 1514 gestorben war, wird man besser von einer Gedächtnisstiftung spre-
chen, die durch den Sohn des Verstorbenen, den kaiserlichen Rat und Propst von St. Sebald, Melchior Pfinzing, anstelle
des schadhaft gewordenen Vorchtel-Fensters, einer Stiftung des Sebalder Kirchenpflegers Heinrich Vorchtel (f 1371),
in Auftrag gegeben wurde. Nachdem Cosmas Vorchtel, ein Nachfahre des ersten Fensterstifters, der Aufforderung des
600 In diesem Sinne hat bereits Weilandt 2007, S. 351!., darauf ver-
wiesen, dass sich die vorgesehene Darstellung der Mater dolorosa
thematisch unmittelbar auf die darunter befindliche Volckamersche
Stiftung von Schmerzensmann und Schmerzensmutter und damit auf
die in der Nähe stattfindende Passionsandacht bezogen haben könnte,
»wenn auch die Auswahl der beiden Apostel [er verwechselt dabei den
Hl. Judas Thaddäus mit dem Hl. Jacobus d.J.J nicht gerade zwingend
erscheint«. Gasior 2012, S. 201, führt die Änderungen dagegen auf die
Intervention des Markgrafen Kasimir zurück, der im Februar 1515 die
Macht gewaltsam an sich gerissen und seinen Vater gefangen gesetzt
hatte. Die zunächst vorgesehenen Patrone Simon und Judas galten als
persönliche Schutzheilige Markgraf Friedrichs und waren an promi-
PFARRKIRCHE ST. SEBALD
sie auch in Halbfigur erscheint. Dass zunächst die schmerzens-
reiche, vom Schwert des Mitleidens durchbohrte Gottesmutter
dargestellt werden sollte, könnte - wie im Fall des im Entwurf
benachbarten, später ebenfalls verworfenen Apostelpaares Si-
mon und Judas Thaddäus - unter Umständen als Reminiszenz
an das Bildprogramm des Vorgängerfensters bzw. als Konzes-
sion an die benachbarte Verehrungszone gedacht gewesen sein,
doch die Wahl scheint eher persönliche Motive aufseiten der
Stifter widerzuspiegeln600.
Formal steht die ausgeführte Gewandfigur einem kleinen Schei-
benriss Hans von Kulmbachs in Dresden nahe, der das An-
dachtsbild in gegensinniger Anordnung, doch bei annähernd
identischem Fall des Mantels wiedergibt (Fig. i6o)601.
CVMA W 7298, Großdia RT 03/47
8c JOHANNES BAPTISTA Fig. 23, 153, 15 8f., Abb. 39, 41, 53
H. 104,7-105,2 cm, B. 39,5 cm.
Erhaltung: Vollständig alte Glassubstanz. Bemalung weitge-
hend reduziert. Der Spinnensprung im Kopf des Täufers ist
rückseitig doubliert. Neuverbleiung Frenzei.
Ikonographie, Komposition: Anstelle des in der Dresdner Visie-
rung vorgesehenen Apostelpaares Simon und Judas Thaddäus
wurde der besondere Schutzpatron des Hauses Brandenburg,
Johannes der Täufer, dargestellt, wofür, wie Bürger hervorge-
hoben hat, nicht nur die Häufigkeit des Vornamens Johann in
der markgräflichen Familie zeugt, sondern auch der Umstand,
dass sämtliche zollerischen Guldenprägungen vom 14. Jh. bis
1538 auf einer Seite das Bild des Täufers tragen602.
Im Hinblick auf die Arbeitsmethoden der Glasmaler ist anzu-
merken, dass für die Figur auf einen älteren Karton Hans Bal-
dungs zurückgegriffen wurde, der bereits für das Loeffelholz-
Fenster in St. Lorenz um 1506 Verwendung gefunden hatte603.
CVMA W 7299, Großdia RT 03/48
8a/d und 9a-d GIEBELBEKRÖNUNG MIT PUTTEN
Fig. 23, 153, 158!., Abb. 39
H./B.: 8a: 105/40, 8d: 105,5/40 cm; 9a: 105/40, 9b: 104,7/39-39,5,
9c: 104,7/38-39,5, 9d: 105/39,5-40 cm.
Erhaltung: Geringfügig ergänzt. Bemalung mehr oder weniger
stark berieben, doch im Wesentlichen noch gut ablesbar. Zwei
stärker gesprungene Gläser rückseitig doubliert. Neuverblei-
ung Frenzei.
Ikonographie, Komposition: Der schlichte, hellgraue Skelett-
bau der rahmenden Architektur mit seinen massiven vertika-
len Eckpfeilern und den eleganten horizontalen Stockwerk-
gesimsen ist in der Heiligenzone des Obergeschosses durch
vorgestellte purpurrosa Säulen eigens ausgezeichnet. Diese tra-
gen ein vorspringendes Gebälk mit zierlichen Vasen, dahinter
erhebt sich leicht zurückversetzt als Abschluss nach oben ein
niedriger Dreiecksgiebel, flankiert von kleinen seitlichen Py-
lonen, darauf sitzen geflügelte Putten mit Fanfaren, die wohl
den Ruhm des Markgrafenhauses verkörpern. Die ehedem weit
in die Butzenumgebung der nächsten Fensterzeile hinaufrei-
chenden Blasinstrumente, die auf Vorkriegsaufnahmen noch
zu sehen sind, wurden im Krieg offenbar nicht geborgen und
sind verloren. Dass das Zentrum über der Giebelspitze ehemals
durch ein der Feuerschale des Entwurfs vergleichbares, eben-
falls verlorenes Motiv bekrönt gewesen war, ist angesichts der
tatsächlichen Stärke des Fensterpfostens an dieser Stelle eher
unwahrscheinlich.
Ornament: Architrav und Giebelfeld sind mit ornamentalen
Grotesken, Delphinen, Schalen und Blattmotiven gefüllt, wie
sie in zeitgenössischen druckgraphischen Werken verfügbar
waren (vgl. oben S. 229).
CVMA W 7297, 7300-7304
CHORFENSTER süd III (PFINZING-FENSTER)
Fig. 25, 29, i6if., 167-171, Abb. 73-98
Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 15 m, B. ca. 2,10 m.
Die 32 Rechteckfelder umfassende Gesamtkomposition der Fenster-Neustiftung von 1515 füllt die erste bis achte Zeile
aus. Sollten Fackeln und Blütengirlanden ehemals in die 9. Zeile hinaufgereicht haben, so war davon bereits vor der
Kriegsbergung nichts mehr erhalten, wie die Vorkriegsaufnahmen beweisen.
Gesamtaufnahmen: CVMA Archiv (Aufnahme um 1910); RT o6/o42a und b
98/225L (Montagen aus Einzelaufnahmen der Werkstatt van Treeck)
Die Inschrift im Fenster nennt als Stifter SIEGFRIDUS PFINZING SIBISUISQ MDXV (Seyfried Pfinzing für sich
und seine Angehörigen, 1515). Da dieser bereits 1514 gestorben war, wird man besser von einer Gedächtnisstiftung spre-
chen, die durch den Sohn des Verstorbenen, den kaiserlichen Rat und Propst von St. Sebald, Melchior Pfinzing, anstelle
des schadhaft gewordenen Vorchtel-Fensters, einer Stiftung des Sebalder Kirchenpflegers Heinrich Vorchtel (f 1371),
in Auftrag gegeben wurde. Nachdem Cosmas Vorchtel, ein Nachfahre des ersten Fensterstifters, der Aufforderung des
600 In diesem Sinne hat bereits Weilandt 2007, S. 351!., darauf ver-
wiesen, dass sich die vorgesehene Darstellung der Mater dolorosa
thematisch unmittelbar auf die darunter befindliche Volckamersche
Stiftung von Schmerzensmann und Schmerzensmutter und damit auf
die in der Nähe stattfindende Passionsandacht bezogen haben könnte,
»wenn auch die Auswahl der beiden Apostel [er verwechselt dabei den
Hl. Judas Thaddäus mit dem Hl. Jacobus d.J.J nicht gerade zwingend
erscheint«. Gasior 2012, S. 201, führt die Änderungen dagegen auf die
Intervention des Markgrafen Kasimir zurück, der im Februar 1515 die
Macht gewaltsam an sich gerissen und seinen Vater gefangen gesetzt
hatte. Die zunächst vorgesehenen Patrone Simon und Judas galten als
persönliche Schutzheilige Markgraf Friedrichs und waren an promi-