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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG




Fig. 32. Herkules bändigt den Cerberus. Venedig, um
1506 (Giovanni Valvassori).

Fig. 33. Herkules bändigt den Cerberus. Nürnberg, Tucherschloss. Um 1545.

zur Fertigstellung des Schlossbaues (1544) entstanden sein dürften. Die Tücher’sche Handelsgesellschaft, die insbeson-
dere durch Export von Erzeugnissen der heimischen Metallindustrie und des metallverarbeitenden Gewerbes sowie
Import von Spezereien, Drogen, Südfrüchten und anderen Luxusgütern reich geworden war, daneben aber mit so gut
wie allem handelte, womit sich Geld verdienen ließ, besaß zur Zeit des Bauherrn und Unternehmensleiters, Lorenz
II. Tücher (1490-1554), Niederlassungen in Genf, Lyon und Antwerpen sowie Kammer und Gewölbe im Fondaco
dei Tedeschi in Venedig und war auf allen großen internationalen Messen vertreten72. Tatsächlich spiegelt sich dieses
weitläufige Netzwerk auch in der Herkunft der druckgraphischen Vorlagen, die dem Entwerfer der Scheiben direkt
oder indirekt als Vorbild dienten. So gehen die Herkulesszenen nebst generellen Anleihen aus der oberitalienischen
Druckgraphik in letzter Instanz auf den 1506 in Venedig gedruckten Herkules-Zyklus von Giovanni Andrea Valvas-
sori zurück, während die mittelalterlicher Ekphrasis verpflichteten Götterbilder den kleinen Holzschnitten des von
Colard Mansion 1484 in Brügge verlegten Ovide moralise des Petrus Berchorius nahestehen (Fig. 32E; s. ausführlich
S. 490-498). Da sich die Scheiben aber weder mit niederländischen noch französischen oder italienischen Glasmale-
reien verbinden lassen, wird man schließlich doch in Erwägung ziehen müssen, ob der Auftrag nicht an einen Glasma-
ler der Stadt ergangen war, dessen Wirken ansonsten keine erkennbaren Spuren hinterlassen hat. Der Umstand, dass
die Nürnberger Kleinmeister, Barthel und Sebald Beham, Georg Pencz, Virgil Solis u.a. in ihren druckgraphischen
Serien zur gleichen Zeit durchaus verwandte Stoffe in vergleichbarer Gestalt behandelt haben, könnte diese Möglich-
keit unterstreichen73.

72 Grote 1961, S. 28-40. Friedrich Wilhelm Hollstein, German Engravings, Erchings and
73 Vgl. O’Dell-Franke 1977, Möseneder 2010, Kat. Ausst. Nürn- Woodcuts, ca. 1400-1700, Amsterdam u.a. 1954, 1955, 1991 und 2006,
berg 2011, sowie die betreffenden Bände II-IV, XXXI, und LXVI von bzw. T.I.B. 15, 16 und 19, New York 1978, 1980 und 1987.
 
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