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Beilage zu M 9 der „Dioskuren"

gründe in vortheilhafter Weise ab. Ja, um den Totaleindruck noch zu er-
höhen, hat man das Lokal selbst noch auf alle mögliche Weise durch grüne
Fensterdrapperien, Portieren u. s. f. herausgeputzt, so das; die betreffenden
Lokalitäten der Akademie zu ihrer eignen Verwunderung fast anständig aus-
sehen. Wollte Jemand dagegen geltend machen, daß dieser Anständigkeit der
Charakter jener einfachen Würde fehlt, welche einem Tempel der Kunst ge-
ziemt, oder gar darauf hindeuten, daß diese Herausputzung etwas Trödel-
budenartiges verrathe, so bewiese dieser unberufene Kritiker damit nichts, als
daß ihm der Zweck dieser Ausstellung gänzlich entgangen sei. Denn ein Blick
auf die ausgestellten Sachen genügt, um dem Unbefangenen, welcher den ge-
ringsten Sinn für Kunst und Kunstwerth hat, die Ueberzeugnng beizubringen,
daß es sich hier um weiter nichts als um eine industrielle Spekulation der
untergeordnetsten Art handelt. Die genannten drei Säle sind in der That
in eine Trödelbude verwandelt, warum sollen sie sich nicht ihrem Charakter
gemäß kleiden? Findet man darin etwas Anderes, als zusammengewürfeltes
Flickwerk, unterstützt durch den äußeren Glanz glatter Maschinenarbeit und
durch die nicht zu verkennende Schönheit des Rohmaterials, welche selbst durch
die elende Arbeit nicht gänzlich hat verwischt werden können; dutzend- und
schockweise anfgestapelte Spielsächelchen, wie Briefbeschwerer in Schildkröten-,
Eidechsen- und Schneckenform, welche wie die Orgelpfeifen vom Kleinsten bis
zum Größten mit daran geklebten Preisen aneinandergereiht sind! Und nun
gar die Figuren! Wäre die ganze Sache nicht zu ernst, nämlich daß durch
solche mittelmäßige Fabrikarbeiten einerseits der ohnehin nicht sehr feinge-
gebildete Geschmack des großen Publikums noch mehr verdorben, andrerseits
nuferen eignen Fabrikanten eine vernichtende Konkurrenz gemacht wird —
so könnte man sich der unendlich komischen Wirkung dieser Christusknaben,
Kinder mit Tauben, Katzen und Hunden, Engel Michaels und — ach! —
der entsetzlichen Nachbildungen von Antiken mit Muße hingeben. Um diese
Dinge mit einem Worte zu charakterisiren, möchte man sie einfach Karrikaturen
nennen, denn dazu fehlt ihnen blos der Geist, die witzigen Pointe: es sind
eben bloße Stümperfabrikate.

Es ist natürlich nicht im Entferntesten unsre Absicht, spezieller auf diese
'Sachen einzugehen. Wir überlassen cö dem „kunstsinnigen" Publikum Berlins,
diese kolossale Injurie gegen sein ästhetisches Gefühl durch die gebührende
Verachtung zu strafen. Denn wir würden es für eine Schmach halten, wenn
der Signor Gatti sich in seiner Spekulation auf die Verdorbenheit und Roheit
des künstlerischen Geschmacks, die er offenbar bei nnferm Publikum voraus-
setzt, nicht verrechnet hätie. Was wir aber nicht mit Stillschweigen übergehen
können, ist die Rolle, welche die Akademie dabei übernommen hat. Eigen-
thümlich klingt es solchen Thatsachen gegenüber, wenn es in dem „Königl.
Reglement für die Akademie" gleich im Anfang heißt: „Der Endzweck dieses

Instituts geht dahin, daß es auf der einen Seite zum Flor der Künste
sowohl überhaupt beitrage, als insbesondere den vaterländischen Kunst-
fleiß erwecke, befördere und durch Einfluß auf Manufakturen und Ge-
werbe veredle; auf der andern Seite aber diese Akademie als eine hohe
Schule für die bildenden Künste sich in sich selber immer mehr
vervollkommne, um in Sachen des Geschmacks durch vorzügliche
Kunstwerke jeder Art selbst Muster sein zu können . . ." und in ß. 6.:
„Auch soll, wie Wir hoffen, dieser akademische Senat durch wirksame
Berathschlagungen den Flor der Künste und die Verbreitung des
guten Geschmacks allenthalben in Unfern Staaten zu befördern
sich angelegen sein lassen" u. s. f. — WaS hat dieser hohen Bestimmung
gegenüber die Akademie gethan? Wir wissen nicht, ob die Akademie bei
der betreffenden Stelle überhaupt Einsprache gegen eine solche, den vater-
ländischen Kunstfleiß untergrabende, den guten Geschmack verderbende Speku-
lation erhoben hat. Wir wissen nur, daß sie ihre eigenen Lokalitäten dazu, und
überdies einem freniden Spekulanten, eingeräumt hat, der mit seinen mittelmäßi-
gen Fabrikaten in der Welt umherreist, um Geschäfte zu machen. Dies ist der
einfache Sachverhalt. Wahrlich, wenn in der Bibel erzählt wird, wie Jesus
zum Tempel Gottes hineinging, und Heraustrieb alle Verkäufer und Käufer
und stieß um der Wechsler Tische und die Stühle der Krämer und rief: „Es
stehet geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber habt eine
Mördergrube daraus gemacht" — so möchte man wünschen, daß auch für
den Tempel der Kunst ein Messias erstände, welcher die entweihten Hallen
von den Wechslern und Krämern säuberte, und der entheiligenden und heil-
losen Barbarei, die darin ihr Lager anfgeschlageu hat, ein klägliches Ende
bereitete. M. Sr.

3. Permanente Gemäldeausstellung von Sachse. An die

Stelle der „Versuchung des heil. Antonius" von Prof. Jul. Schräder,
der großen „Marine" von Larson, des „Schiffbruchs" von Güdin und
des „Abends auf Madeira" von Ed. Hildebrandt" sind seit dem Anfang
voriger Woche eine Reihe anderer, zum Theil sehr bedeutender Gemälde ge-
treten, unter denen wir manche alte und liebe Bekannte wiedersinden. Zu-
nächst Menzel's Meisterwerk „Koncert Friedrich des Großen in Sanssouci",
welches bekanntlich die akademische Kunstellung von 1852 schmückte. Da zu
dieser Heit die „Dioskuren" noch nicht existirten, so benutzen wir diese Ge-
legenheit, um unsre Ansicht über dies Werk zu sagen, welches wir nächst dem
ihm voraufgehenden Meisterwerke: „Friedrich der Große und seine Gesell-
schafter" als das schönste und genialste Bild des Künstlers betrachten.

(Schluß folgt.)

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Wissenschaftlicher Kunstverein.

(Sitzung vom 15. April.)

Nach Verlesung des Protokolls durch den Sekretair des Vereins, Herrn Hofrath
F. Förster, theilt derselbe ein Schreiben des Dr. E. Förster aus Rom mit, welches
einen Bericht über die Werke einiger alter deutscher Meister enthielt. Zugleich waren
die neuesten Hefte der „Denkmäler" von demselben Verfasser ausgelegt. — Direktor
Waagen sprach einige Worte über die Zwecke und Einrichtungen des „Germanischen
Nationalmnseums zu Nürnberg." Er kündigte die Bildung eines Hülfsvereins für
dasselbe in Berlin an und machte auf einen Cyklus von Abbildungen von Gegenstän-
den des Museums aufmerksam, dessen einzelne Blätter in der Versammlung cirkulirteim
Der Aufforderung zu einer Betheiliguug an dem Hülfsverein durch Zeichnung von
Jahresbeiträgen wurde von mehreren Mitgliedern Folge gegeben. Außerdem waren
noch einige Medaillen von H. Fischer ausgelegt, deren schöne Prägung allgemeine
Anerkennung fand. — Den interessantesten Theil der Sitzung bildete ein längerer
Vortrag des Prof. Dr. Ernst Guhl über seine Reise nach Spanien, welche er dahin
hehufs kunstgeschichtlicher Studien gemacht hatte. Er gab zunächst Bemerkungen über
die bedeutendsten Monnmente und Sammlungen, die er auf der Hinreise über Nord-
deutschland, Holland und das nördliche Frankreich kennen gelernt hatte. Nachdem er
auf diesem Wege nach Paris gelangt, setzte er die Reise durch das südwestliche Frank-
reich fort, wo eine Reihe kunstgeschichtlich wichtiger Städte, wie Orleans, Blois, Tours,
Poitiörs, AngoulLme und Bordeaux reichen Anlaß zu künstlerischen Studien darboten.
So über die Pyrenäen nach Spanien, dem Ziel seiner Reise, gelangt, waren es hier
zunächst die kunsthistorisch wichtigen Hauptorte Castiliens: Burgos, Valladolid, Madrid
und Toledo, die lange Zeit zu genauer Untersuchung erforderten. Der Redner hob
in Bezug auf Burgos zunächst hervor, welche politisch-wichtige Stellung die nordischen
Provinzen dem Süden gegenüber eingenommen haben und wies nach, wie auch die
künstlerische Entwicklung mit dieser politischen Bedeutung auf das engste verbunden
war. Nordischen Einflüssen war namentlich das künstlerische Leben von Burgos viel-
fach ausgesetzt, ja es wurde auf speziell deutsche Einflüsse hingewiesen, die bei der
reichen Entfaltung der Architektur daselbst (mehrerer Kathedralen) mitgewirkl haben
und die der Vers, bald in einer Monographie (in der Zeitschrift für Banwesen) aus-
führlicher unter Beifügung der von ihm an Ort und Stelle aufgenommenen Zeich-
nungen besprechen wird. Damit steht es in naher Verbindung, daß sich in Burgos
zahlreiche und nachhaltige Einflüsse der niederländischen Malerschule während des fünf-

zehnten Jahrhunderts Nachweisen lassen. In Bezug auf Madrid hob der Redner na-
mentlich die königliche Gemäldegalerie des Prado hervor, die an Meisterwerken aller
Länder, die nicht mit Spanien in näherer Verbindung gestanden, so reich wie kaum
irgend eine andere Galerie Europas ist, und die sich überdies durch einen großen
Schatz von Meisterwerken der spanischen Schule, namentlich von Velasquez, aus-
zeichnet. Bei Toledo verweilte der Redner längere Zeit, indem die durch die Lage
bedingte Wichtigkeit der Stadt in den Jahrhundert langen Kämpfen zwischen Mauren
und Christen auf die Betrachtung der Verhältnisse der Kunstweise beider Völker zu
einander hinführte. Wie in politischer so fanden auch in künstlerischer Beziehung
mancherlei Berührungen statt, selbst zu der Zeit noch, als in der Kathedrale eines der
vollendetsten Denkmäler des gothischen Baustiles vollendet war, das in Spanien und
ganz Europa zu finden ist. Unter den schönen Städtens des Süden waren es nament-
lich Granada, Sevilla und Valencia, die der Redner mit größerer Ausführlichkeit schil-
derte. Granada, welches der letzte Sitz der maurischen Herrschaft in Spanien war,
hat demgemäß auch das vollendetste Denkmal dieser reizenden, anmuthigen und ge-
fälligen Architektur aufzuweisen. Die Alhambra, jenes zauberhafte Schloß der mau-
rischen Könige, über der herrlichen Stadt und der reichen Ebene thronend, ist, wie
sie einerseits zu kunstreichem Genuß einladet, andrerseits auch ebenso geeignet, den
großen Gegensatz anschaulich zu machen, der zwischen den Völkern des Islam und den
christlichen Bewohnern Spaniens obwaltetcte. Einer raschen Schilderung dieses reiz-
vollen Bauwerkes schloß sich das der großartigen Kathedrale von Granada an, die eins
der vollendetsten Beispiele der Verbindung gothischer und Renaissance-Architektur ist;
einer Verbindung, von der viele Bauten des Südens und eine große Anzahl kleiner Ka-
pellenbanten an den Kathedralen des Nordens Zeugniß ablegen. In Bezug auf Sevilla
hob der Redner namentlich den Reiz der Privatbanten mit ihren säulengeschmückten
Höfen hervor. Er verweilte dann längere Zeit bei Beschreibung der Kathedrale, die
an Größe alle andern ihm bekannten Städte Spaniens übertrifft, wie sie auch in
Bezug auf malerische Farbenwirkung des Inneren vielleicht einzig dasteht. Dies führte
auf Murillo, der in Bezug auf jenes poetische Element der Farbengebung sowie der
innigen und warmen Empfindung als der erste Maler Spaniens betrachtet werden
muß. Eine anschauliche Schilderung von Valencia und Barcelona machte den Be-
schluß des der spanischen Kunst gewidmeten Theiles des Vortrages, der an der Folge
der einzelnen Denkmäler und Städte zugleich die Hauptfragen der durch die Nationa-
lität der Spanier bedingten kunstgeschichtlichen Eutwicklung des Volkes erörterte und mit
lauter Beifallsbezengung von Seiten der Versammlung ausgenommen wurde.
 
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