304
J. L. Sponsel.
H. VOGELER—WORPSWEDE.
Radirttng: »Die sieben Raben*.
sternenübersäeten Himmel lobsingende Engel
und den Stern der Weisen zu Häupten der
Madonna mit dem Kinde, der sich anbetend
die Hirten und die Könige nahen. So ist
schlicht und rührend der Inhalt der Ver-
kündigung dem Beschauer mitgetheilt.
Auch wo Vogeler tragische Stoffe an-
greift, verlässt ihn diese naive, der jugend-
lichen Gefühlsweise naheliegende Auffassung
nicht, und er weiss damit selbst dem Tode
seine Schrecken zu nehmen. Zu der müden
Alten, die am Abend auf blumiger Wiese
dahinschlürft, hat sich der Herrscher Tod
gesellt, die Krone auf dem kahlen Schädel
und die Sense über der Schulter; und er
geleitet mit trostreichem Zuspruch die willige
Frau zu ihrer letzten Heimstätte. Ein er-
greifend friedliches Bild.
Es ist nur natürlich, dass ein Künstler
wie Vogeler, dessen Phantasie sich so leb-
haft in die Märchenwelt hineinversenkt hat,
auch von Gerhard Hauptmann's Drama -»Die
versunkene Glocke« mächtig angezogen
wurde.
Er hat versucht in zehn gezeichneten
Bildern die vornehmsten Scenen desselben
zu veranschaulichen, und er hat sicher in der
landschaftlichen Umgebung wie in den ein-
zelnen Vorgängen karakteristische Bilder
seiner Auffassung des Werkes gegeben,
auch jedes Bild in seiner pflanzlichen Um-
rankung zu einem in sich künstlerisch ur-
sprünglich wirkenden Werke durchgebildet.
So erfreulich dieses Illustrationswerk als
solches betrachtet auch auf jeden empfäng-
lichen Beschauer wirken muss, und so viel
Vorzüge gerade der Kunst Vogeler's wir
auch darin wieder zu begrüssen haben, so
wird man doch auch bemerken, dass Vogeler's
Zeichnungen seiner ganzen Veranlagung
entsprechend auf einen mehr märchenhaft-
harmlosen lyrischen Ton gestimmt sind, und
dass sie, da wo der Dramatiker pathetische und
mächtig ergreifende Akkorde angeschlagen
hat, davon nicht unwesentlich abweichen.
Das gilt nicht nur von dem Glockengiesser
Heinrich und seinem Schicksal, sondern auch
von der Gestalt der Waldnixe Rautendelein.
Das Frauenideal Vogeler's ist die kaum er-
blühende, kindlich-reine Jungfrau, er hat an
diesem auch festgehalten zur Verkörperung
des dämonischen Wesens der Nixe Rautende-
lein, das den nach übermenschlichen Zielen
ringenden Heinrich von Weib und Kind,
von Gemeinde und Religion abtrünnig
macht und in's Verderben lockt. Dafür ist
denn doch Vogeler's Auffassung nicht zu-
reichend und darum wirkt für den Kenner
J. L. Sponsel.
H. VOGELER—WORPSWEDE.
Radirttng: »Die sieben Raben*.
sternenübersäeten Himmel lobsingende Engel
und den Stern der Weisen zu Häupten der
Madonna mit dem Kinde, der sich anbetend
die Hirten und die Könige nahen. So ist
schlicht und rührend der Inhalt der Ver-
kündigung dem Beschauer mitgetheilt.
Auch wo Vogeler tragische Stoffe an-
greift, verlässt ihn diese naive, der jugend-
lichen Gefühlsweise naheliegende Auffassung
nicht, und er weiss damit selbst dem Tode
seine Schrecken zu nehmen. Zu der müden
Alten, die am Abend auf blumiger Wiese
dahinschlürft, hat sich der Herrscher Tod
gesellt, die Krone auf dem kahlen Schädel
und die Sense über der Schulter; und er
geleitet mit trostreichem Zuspruch die willige
Frau zu ihrer letzten Heimstätte. Ein er-
greifend friedliches Bild.
Es ist nur natürlich, dass ein Künstler
wie Vogeler, dessen Phantasie sich so leb-
haft in die Märchenwelt hineinversenkt hat,
auch von Gerhard Hauptmann's Drama -»Die
versunkene Glocke« mächtig angezogen
wurde.
Er hat versucht in zehn gezeichneten
Bildern die vornehmsten Scenen desselben
zu veranschaulichen, und er hat sicher in der
landschaftlichen Umgebung wie in den ein-
zelnen Vorgängen karakteristische Bilder
seiner Auffassung des Werkes gegeben,
auch jedes Bild in seiner pflanzlichen Um-
rankung zu einem in sich künstlerisch ur-
sprünglich wirkenden Werke durchgebildet.
So erfreulich dieses Illustrationswerk als
solches betrachtet auch auf jeden empfäng-
lichen Beschauer wirken muss, und so viel
Vorzüge gerade der Kunst Vogeler's wir
auch darin wieder zu begrüssen haben, so
wird man doch auch bemerken, dass Vogeler's
Zeichnungen seiner ganzen Veranlagung
entsprechend auf einen mehr märchenhaft-
harmlosen lyrischen Ton gestimmt sind, und
dass sie, da wo der Dramatiker pathetische und
mächtig ergreifende Akkorde angeschlagen
hat, davon nicht unwesentlich abweichen.
Das gilt nicht nur von dem Glockengiesser
Heinrich und seinem Schicksal, sondern auch
von der Gestalt der Waldnixe Rautendelein.
Das Frauenideal Vogeler's ist die kaum er-
blühende, kindlich-reine Jungfrau, er hat an
diesem auch festgehalten zur Verkörperung
des dämonischen Wesens der Nixe Rautende-
lein, das den nach übermenschlichen Zielen
ringenden Heinrich von Weib und Kind,
von Gemeinde und Religion abtrünnig
macht und in's Verderben lockt. Dafür ist
denn doch Vogeler's Auffassung nicht zu-
reichend und darum wirkt für den Kenner