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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Sponsel, Jean Louis: Heinrich Vogeler - Worpswede
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0029
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H. Vogeler— Worpswede.

und emblematischen Schmuck möglichst zu
vermeiden sucht, wie er vielmehr zumeist
einen kleinen landschaftlichen Ausschnitt zu
geben bestrebt ist, den er öfters in natura-
listischer Umrahmung von Pflanzenwerk
zeigt. Hier und da bemerkt man, dass der
Künstler in Anlehnung an den Namen des
Bestellers ein Motiv gewählt hat, so bei
Vogeler, Pflueger, Hackfeld; doch macht
sich eine solche Anspielung niemals auf-
dringlich geltend. In einem Falle bemerken
wir in der Umrahmung eine Anlehnung an
Empiremotive.

Es ist das bei Vogeler nicht eine blosse
vorübergehende Laune, wir bemerkten viel-
mehr, dass ihm überhaupt jene Zeit sym-
pathisch ist. So hat auch Vogeler in Bremen
ein Kaffeehaus völlig im Empirestil einge-
richtet; und soll das Ganze künstlerisch einen
höchst reizvollen Eindruck machen. Auch
für die Glasmalereien dieses Hauses hat der
Künstler die Entwürfe geliefert.

Nicht minder hat sich Vogeler für
Teppichwirkerei und Stickerei zu bethätigen
gesucht. Für Scherrebeker Teppiche ent-
standen zwei stilistisch vorzügliche Entwürfe
^Sonntags-Spaziergangi. und »Dornröschen«..
In dem letzteren Entwürfe fesselt die an-
muthige Ausgestaltung des Bildmotivs und
dessen blühender Pflanzenhintergrund sowie
die pflanzliche Umrahmung besonders. Auch
der Technik wird Vogeler hier gerecht.

Von ausgeführten Webereien und Sticke-
reien nach seinem Entwürfe ist das be-
deutendste Stück der grosse geknüpfte
Smyrna-Teppich, der auf mattgrünem Grunde
unregelmässig eingestreute Blumen aufweist,
die an den vier Ecken dichter zusammen-
gedrängt sind. Ein mattrother, von braun-
goldenen und grünen Blatt- und Blumen-
ranken umsäumter Rahmen umgibt das
grosse Mittelfeld und ist von einer braunen
Kante nach aussen abgeschlossen. Das ganze
feinsinnig abgestimmte Stück ist eines der
besten Erzeugnisse unserer Zeit.

Für applizirte und andere Stickereien
wusste Vogeler sich die Hand einer künst-
lerisch nachfühlenden Dame, Frl. Martha
Schröder in Worpswede zu gewinnen, so
dass auch diese Arbeiten, in denen meist

w. vii. 3.

einzelne Pflanzen in getreuer Erfassung ihrer
karakteristischen Haltung und Blattbildung
vornehm in der Farbe wiedergegeben sind,
durchaus vollwerthig den Arbeiten eines
Obrist und anderer zur Seite zu setzen sind.

Von Möbelstücken nach Vogeler's Ent-
wurf sind hier zwei Stühle abgebildet, die
ihn bestrebt zeigen, den jetzt üblichen ein-
fachen glatten Formen ein möglichst ge-
diegenes Gerüste zu geben, so dass die
Stücke Manchem etwas altvaterisch vor-
kommen mögen. Das Feld der Rücken-
lehne ist durch einfache, naturalistische,
in der Farbe immer sehr feinsinnig aus-
gewählte gestickte Pflanzenstudien ausge-
füllt. — Von nicht ausgeführten Ent-
würfen sind hier ein Büffet und eine Haus-
thüre abgebildet, die gewiss im Einzelnen
originelle Züge aufweisen, an denen aber
die vielfach zu Tode gehetzte, »langstielige«
Pflanzenumrahmung nicht zu dem Besten
daran gehört. So hat der Künstler auch in
dem Entwürfe für eine Bibliothekseinrichtung
ein Winden- und ein Birkenmotiv für den
Aufbau und die Ornamentik zu verwenden
gesucht. Manchmal geht dabei durch den
allzuengen Anschluss an naturalistische For-
men der Ausdruck der Konstruktion verloren;
die malerische Komposition wiegt über.

Wie ernst der junge Künstler stets be-
strebt gewesen ist, bei allen seinen Entwürfen
in engem Anschluss an die Formen der
Natur zu bleiben, ist schon früher bei
Erwähnung seiner Pflanzenstudien betont
worden. Eine Reihe anderer theils land-
schaftlicher, theils figürlicher, besonders aber
auch von Aktstudien belehrt uns darüber,
wie eifrig er diese Vorstudien angreift.
Am besten gelingt ihm dabei immer
der keusche Reiz der Frühlingslandschaft
und die noch nicht ganz zu voller Reife
gelangte jugendliche Frauengestalt. Seine
Stärke liegt hierbei weniger in dem genauen
Durchbilden der Form, als vielmehr in
dem Treffen eines gewissen Stimmungs-
gehaltes, der durch seine ungekünstelte, echte
Wahrheit überzeugend wirkt und der in
seinen ausgeführten Werken uns immer
wieder von neuem anzieht und fesselt.

J. L. Sponsel—Dresden.
 
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