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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Wilser, Ludwig: Germanischer Stil und deutsche Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0032
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312

Ludwig Wilser—Heidelberg: Germanischer Stil.

wie er z. B. an den Ulltunafunden {Hildebrand,
Teckningar ur Statens Historiska Museum
I i—9) und den herrlich geschnitzten Thüren
der älteren norwegischen Stabkirchen
Dietrichson und Munthe, die Holzbaukunst
Norwegens, Berlin 1893) bewundert werden
kann, hat der ganz von klassischer Kunst
eingenommene Forscher weder Blick noch
Wort. Aus Edlerem »verbildet und ver-
fratzt .... eine römische Ornamentik in
ihrem tiefsten Verfalle« nennt auch Hoernes
(Urgeschichte der bildenden Kunst in Eu-
ropa, Wien 1898) den germanischen Stil;
das als Stoffsammlung und durch seine
Abbildungen werthvolle Werk des ganz
in überlebten Vorur-
theilen befangenen
Verfassers ist ein
schlagender Beweis
dafür, dass das »Trug-
bild des Ostens« keine
richtige Würdigung
der europäischen
Kunst gestattet, sondern zu Wider-
sprüchen, hohlen Redensarten und
Verstössen gegen die Logik führt.
Dass ausser Löwen und Greifen auch
andere Thierbilder in der germanischen
Kunst vorkommen — Vögel, Eber,
Rosse, Drachen und was sonst noch
mit der Göttersage im Zusammenhang
stand —, zeigen gerade die ältesten
Funde, wie die der Alemannengräber
am Oberrhein, zeigt Ta-
citus' Beschreibung (Tac.
Germ. VII effigiesque et
signa quaedam detracta
lucis in proelium ferunt.
Hist. IV 22 depromptae
silvis, lucisve ferarum imagines . . .) der in
den heiligen Hainen aufbewahrten Feld-
zeichen. Als solches war ganz besonders
der Drache beliebt, dessen hohler, auf hoher

h. vogeler. Entwurf: Sekt-Schale.

Stange getragener Leib, vom Winde gebläht,
wie lebend sich wand und ringelte (Claudi
Claudiani Panegyr. de VI consul. Honorü 506
quid fixa draconum Ora velint? ventis fluitent
an vera minentur Sibila suspensum rapturi
faucibus hostem?). Ein solches Drachenbild
(purpureum signum draconis, Ammian.
Marceil. XVI 39) flatterte über den germa-
nischen Verbündeten des römischen Cäsar
in der berühmten Alemannenschlacht, ein
solches ist abgebildet in dem aus dem 9.
Jahrhundert stammenden »Goldenen Psalter«
von St. Gallen. Dass die germanischen Künstler
niemals beabsichtigt hätten, Schlangen oder
Würmer, sondern nur Bandverschlingungen
darzustellen (det har
ej varit afsigten fram-
ställa ormar Seite 9),
auch diese Behaup-
tung kann nicht auf-
recht erhalten werden,
denn wir finden im
Norden häufig Dar-
stellungen von Gunnar in der
Schlangengrube, z. B. an der Kirch-
thür von Hyllestad, an einer Stuhl-
lehne von Hitterdal, auf Runensteinen
u. A., wo die ihr Opfer umringenden
Schlangen geschickt und geschmack-
voll als Zierwerk benützt sind. Ver-
zierungen von Waffen und Wänden
heissen im Angelsächsischen »wurm-
bunt« (vyrmfah), und die dem Theo-
derich vom König der
Warnen geschenkten, ihrer
Schönheit wegen als Werke
Vulkans (Regi Warnorum
Theodericus rex a. 5 2 3 — 26)
oder Wielands erscheinen-
den (putantur esse Vulcani) Schwerter zeigten
auf der Klinge Verzierungen von sich win-
denden Würmern (quibusdam videntur cris-
pari posse vermiculis . . .) Dass auch Drachen
 
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