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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Wilser, Ludwig: Germanischer Stil und deutsche Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0046
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326

Ludwig Wils er: Germanischer Stil.

H. VOGELER—WORPSWEDE.

gehenden Gebrauch abgesehen, übereinander
gelegte Stämme, deren Fugen mit Moos ver-
stopft und die oben mit Schilf, Reisig, Stroh
überdacht wurden: der Blockbau, wie er sich
bis auf den heutigen Tag seiner leichten
Herstellbarkeit wegen in manchen dem Ur-
zustände nahestehenden Verhältnissen erhalten
hat. Dass der Holzbau in Nordeuropa uralt
ist, zeigen nicht nur die aus der Steinzeit
stammenden Pfahlbauten, deren Errichtung
keine geringe Geschicklichkeit erforderte,
sondern auch die ganz mit den germanischen
übereinstimmenden Häuser der Gallier und
Slaven, (Strabo IV 197: Die Häuser bauen
sie, die Belgier, aus Brettern und Flechtwerk
gross und kuppeiförmig und setzen ein dichtes
Rohrdach darauf. — Taciti Germ. 46 Hi
[Veneti] tarnen inter Germanos potius refer-
untur, quia et domos fingunt .... 16 Ne
caementorum quidem apud illos [Germanos]
ant tegularum usus: materia ad omnia utuntur
informi et citra speciem aut delectationem.
Quaedam loca diligentius illinunt terra ita pura
et splendente, ut picturam ac lineamenta colo-

Studienkopf.

rum imitetur. — Ganz all-
gemein war, wie Plinius
[Hist. nat. XVI 64] be-
richtet, dieser Hausbau im
Norden: Tegulo earum
[arundinum] domus suas
Septentrionales populi
operiunt, durantque aevis
tecta alta]), weil sie be-
weisen, dass diese Bauart
älter ist als die Trennung
der Völker. Schon im
4. Jahrh. vor unserer Zeit-
rechnung, als der kühne
Seefahrer Pytheas bis an
die Küste von Norwegen
(Thüle) gelangte, bewun-
derte er dort die geräu-
migen Scheunen (Strabo
IV 201: Das Getreide
dreschen sie, weil sie
keinen heitern Sonnen-
schein haben, in grossen
Gebäuden ....), in denen
die Halmfrucht ge-
droschen wurde. Es ist
anzunehmen, dass ein Volk, das solche
landwirthschaftliche Gebäude zu errichten
versteht, auch in entsprechend gebauten
Häusern gewohnt hat. Auch Römer und
Griechen übten, ehe sie zum Stein übergingen,
als Erinnerung an ihre nördliche Heimath
den Holzbau: bis zur Zeit des Königs Pyrrhus
war die Stadt Rom mit Schindeln (Hist. nat.
XVI 15 : Scandula contectam fuisse Romam,
ad Pyrrhi usque bellum, annis CCCCLXX,
Cornelius Nepos auctor est) gedeckt, und in
Griechenland fanden sich noch in den ersten
Jahrhunderten n. Chr. Ueberbleibsel alter
Holzbauten; so berichtet Plinius (ibid. XIV 2:
Metaponti templum lunonis vitigineis columnis
stetit) von einem Tempel der Juno mit
Säulen aus Rebholz, und der Reisende
Pausanias hat verschiedene alte Heiligthümer
und Paläste mit hölzernen Säulen beschrieben,
(Perieg. VI 24, V 16, VIII 10, V 20), die er
in Elis, Olympia, Mantineia mit eigenen
Augen gesehen. Wie in frühester Zeit die
griechischen Tempel und Städte ausgesehen
haben mögen, können wir uns ungefähr nach
 
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