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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Moderner Buch-Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0074
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Moderner Buch-Schmuck.

WM

PAUL BURGK-MÜNCHEN.

Einband-Decke für ein Musterbuch.

lerische Behandlung-. Dass man ein Gebet-
buch anders ausstattet, als eine Sammlung
pikanter Novelletten, einen Leitfaden der
Düngerlehre anders als ein Buch süsser,
ätherischer Liebeslieder, das liegt auf der
flachen Hand. Selbst in der geschmack-
losesten Karikatur eines Buches, wie sie z. B.
das sentimentale Goldschnitt-Bändchen der
gerade hinter uns liegenden »Epoche« greu-
lichster deutscher Barbarei in Dingen der
Bücherei darstellt, selbst in den abscheulich
gedruckten und »illustrirten« Volks- und
Jugendschriften, mit denen heute noch die
grossen Schleuder-Verlage den künstlerischen
Sinn des Volkes ersticken dürfen, selbst bei
all diesem unsäglich barbarischen »Durch-
schnitt« sucht man einen gewissen »Ein-
klang« zwischen Inhalt und »Ausstattung«
zu erreichen, was insofern nicht selten
gelingt, als der Inhalt ebenso gewöhnlich
ist wie die »Form«. Wir wollen also
vom »Durchschnitte« einstweilen absehen,
weil hier der Grundsatz »billig — aber ge-
schmacklos« noch unausrottbar scheint.
Wenden wir uns also zur »höheren« Literatur,
zur Lektüre der Gebildeten, zu den Lehr-
büchern der Gymnasien und Hochschulen,
zu den Klassiker-Ausgaben, Geschichts-
werken etc.! Wir werden gewiss nicht zu
hart urtheilen, wenn wir sagen, dass das
Durchschnitts-Niveau der Buch-Ausstattung
auch in diesem Reiche geistiger Lhätigkeit
geradezu schmachvoll ist! Und unsere Scham

wird noch gesteigert, wenn wir vergleichen,
wie der französische und englische Verleger
die Bücher ausstattet, die er in die Hände der
Gelehrten, der Gebildeten, der Damen, der
lernenden Jugend, ja der Arbeiter legt. Man
wende nicht ein: der Franzose und Engländer
gibt auch mehr aus für Bücher! Es handelt
sich gar nicht um die theueren, »reich-illu-
strirten« Werke in Kalbleder, Halbfranz und
Leinwand: auch das einfache Buch, die 3
Mark-Ausgabe eines Romans, eines Theater-
stückes kann man künstlerisch oder doch
wenigstens mit künstlerischem Geschmacke
ausgestalten, ohne es deshalb weniger wohl-
feil verkaufen zu müssen als den üblichen
abscheulichen »Schinken« auf schlechtem,
brüchigem Holzpapier, mit dünner pöbel-
hafter »deutscher« Schrift, aufdringlichem
Umschlag, alltäglichen Vignetten und un-
solider Draht-Heftung!

Wir glauben nun, dass die »neue Rich-
tung« mit ein Anstoss zur beginnenden
Reform ist. Wenn wir absehen von den
schrullenhaften »Linien-Orgien« gewisser
kraftgenialischer und hypermoderner Halb-
dilettanten, die im Grunde niemand ernst
nimmt, so finden wir auch im Buch-Dekor
ein höchst vernünftiges Streben nach struk-
tiver, sachgemässer Behandlung des gegebenen
Materiales mit Rücksicht auf die Zweck-
setzung. Paul Bürck gibt uns Veranlassung
diese wichtige Frage einmal vorzugsweise
mit Berücksichtigung des einfachen Buches
 
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