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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Schölermann, Wilhelm: Wiener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0100
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;76

Wilhelm Schölermann :

PAUL BURCK —MÜNCHEN.

Muster für Vorsatz-Papiere.

überall nur die gesättigte Klarheit. Den
jungen Oesterrciehern, in deren Händen die
Zeitschrift liegt, könnten Grillparzers Worte
mit Nutzen als Wahlspruch dienen: »Man ist
darum noch nicht eigenartig, weil man die
Gang und Gcbe-Meinung' auf den Kopf stellt«.

Man darf indess hoffen, dass der zweite
Jahrgang mehr bieten wird, als der erste.
Durch die Heranziehung des Auslandes
wurde der Rahmen der Zeitschift zu ihrem
Vortheil erweitert. Das Khnopff-Heft war
ein Schritt vorwärts. Wenn nicht alle Zeichen
trügen, kann Ver Sacrum doch später für
Oesterreich die noch offene Lücke ausfüllen,
die es auszufüllen bestimmt war.

Ein erfreuliches Ergebniss brachte die
Versteigerung des Nachlasses von Theodor
von Hör mann, des ersten Vorkämpfers der
jungen Generation in Wien, dem die Secession
ei 1 dankbares Andenken bewahrt. Hörmann

war ein ehrlicher Streiter, ein Ringer um die
Natur, der sich in der Arbeit aufrieb, ehe er
ganz fertig geworden in der Beherrschung der
Ausdrucksmittel. Aber unter seinen letzten
Arbeiten finden sich echte Goldkörner. Als
tappender Dilettant begann er in einem Alter,
wo andere schon fertig sind mit der »Schule«.
Als Künstler starb er, im wahren Sinne des
Wortes »an der Arbeit«. Seine letzten
Winterbilder malte er im Freien, der un-
ermüdlichste von Allen; dabei holte er sich
den Keim zu seiner Krankheit, die ihm vor-
zeitig den Tod gab. Seinen Karakter kenn-
zeichnet am besten die Aeusserung: »Ich bin
überzeugt, dass ich erst in meinem sieb-
zigsten Jahre mein bestes Bild malen werde«.
Er hat früher aufhören müssen, aber sein
Streben und Beispiel leuchtet der jungen
Generation voran und stärkt sie zu ernster
Ausdauer, bringt sie zu künstlerischer Reife.
 
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