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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Wilser, Ludwig: Germanischer Stil und deutsche Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0149
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Ludwig Wils er:

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benachbarten und stammverwandten Völker
meist von den einzelnen Bestandtheilen des-
selben hergenommen sind; so findet sich
hus, bur und wik im Keltisch - lateinischen
als casa, burum, vicus, die Einfriedigung
(gard), der Saalbau (sala) und das ganze Ge-
höfte (wik) im Slavischen als gard, grad, gorod,
selo, vic, das Haupthaus (palas) und die Halle
(halla) im Litauischen als pillis und kallen,
die Burg, der Palas und die Stube (stuba)
im Griechischen als jropfos, rcoXis und etwa.

WILH. I.EKEBRE. Akt-Zeichnung.

Sicher hatte schon im 6. Jahrhundert der
germanische Holzbau eine hohe Stufe der
Vollendung erreicht, da er den unter den
Franken lebenden Römer Fortunatus Venan-
tius sogar zu einer dichterischen Verherrlichung
der Wärme, Behaglichkeit und Schönheit
des fränkischen Hauses begeisterte:

Cede param paries lapidoso structa metallo:
Artificis merito praefero ligna tibi.
Aethera mole sua tabulata palatia ptilsant,
Quo neque rima patet, consolidante manu.
Quidquid saxa, satlo, calces, argila tuentur,
Singula sitra favens aedificavit opus.
Altior, immitior quadrataque porticus ambit
Et sculpturata lusit in arte faber.

In Wortverbindungen wie Cede partim
paries, tabulata palatia pulsant, singula silva
favens glaubt man den Einfluss des
germanischen Stabreims zu verspüren. In
möglichst sinngetreuer Uebersetzung lautet
dieses kultur- und kunstgeschichtlich so
wichtige, unseres Wissens aber bisher gar
nicht beachtete Gedichtchen folgendermassen:

Weichet, ihr Wände, gemauert aus steinernen Blöcken !

ich ziehe,

Dank Baumeisters Geschick, vor euch das hölzerne Haus.
Trefflich verwahren vor Wind und • vor Wetter getäfelte
Stufen,

Wo nicht klaffenden Spalt duldet des Zimmermanns Hand.
Schutz, wie ihn sonst nur gewähren Stein, Mörtel und

Sand im Vereine,
Einzig erbaut und allein ihn uns der gütige Wald.
Lustig umgeben den Bau im Geviert hochragende Lauben,
Zierlich vom Meister geschnitzt, reizvoll in spielender Kunst.

Es ist anzunehmen, dass damals, und
wahrscheinlich schon früher, nicht alle zum
Hofe gehörenden Bauten in gleicher Weise
hergestellt waren. Neben dem Blockbau
(norwegisch laftverk) hat sich offenbar schon
in grauer Vorzeit das Fachwerk (bindings-
verk) entwickelt, das im Stabbau mit auf-
rechtstehenden , ineinander eingespundeten
Bohlen (reisverk. stavbygning), wie die nor-
wegischen Stabkirchen gebaut sind, seine
höchste Vollendung erreicht hat. Während
für die kleineren Baulichkeiten, wie Ställe,
Küchen und wohl auch Schlafstuben für
Herren und Gesinde der Blockbau, der sich
ja auch, wie die Schweizerhäuser zeigen,
künstlerisch sehr hübsch ausgestalten Hess,
ganz zweckmässig war, erforderten die
Königshallen und Gastsäle Räume von,
 
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