Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

DOI Artikel:
Wilser, Ludwig: Germanischer Stil und deutsche Kunst, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0155
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
43o

Ludwig Wilser:

RUDOLF BERENY.

an auch Heiligthümer und Tempel zu er-
bauen, z. B. celeberrimum Ulis gentibus tem-
plum, quod Tanfanae vocebant, Tac. Ann. L 51,
Einige Jahrhunderte später, in der Zeit der
Bekehrung müssen solche heilige Stätten,
und zwar Gebäude (fanorum aedificia everte
schrieb 773 der angelsächsische Abt Eanvulf
an König Karl), nicht bloss Haine oder
Gehege, sehr häufig gewesen sein, denn wir
finden sie oft in den Urkunden erwähnt.
Nach dem alten Frisenrecht (Lex Frision.
addit. sup. tit. 42) wurde Tempelschändung
mit dem Opfertod gebüsst (qui fanum effre-
gerit — immolatur diis, quorum templa vio-
lavit ....). Nach Unterwerfung dieses hart-
näckigen Volkes durch die Franken wurden
auch ihre Heiligthümer und Götzenbilder

zerstört und den Flam-
men preisgegeben (Vita
S. Willibrordi 12: Fresiam
tandem, destructio et in-
cendio absumptis fanis ac
idolis, per domitam Fran-
corum subiugavit do-
minio). Nicht selten mag
es in jener wilden Ueber-
gangszeit vorgekommen
sein, dass, wie Beda klagt,
(Hist. eccles. I. 17), ein
schlauer Fürst, der es
mit keinem Theil ver-
derben wollte, im gleichen
Gebäude einen christ-
lichen Altar und einen
heidnischen Opferstein
aufgestellt hatte; war
endlich der Sieg des
neuen Glaubens entschie-
den, so wurden Götzen
und Opferstein entfernt,
Bilder des Gekreuzigten
oder der Jungfrau Maria
aufgestellt und aus dem
Heidentempel war eine
christliche Kirche gewor-
den. Der Eifer der Be-
kehrer ging besonders
dahin, gerade an Stelle
von Heidentempeln Kir-
chen und Klöster zu er-
bauen (Vita S. Amandi: ubi fana destuebantur,
statim monasteria aut ecclesias construebat).
Dass die alten Heiligthümer so ganz kunst-
und schmucklos gewesen, ist eine falsche
Voraussetzung, und wenn Ehe von den Ir-
mensäulen (Deutsche Eigenart in der bil-
denden Kunst, Leipzig 1896) sagt, es seien
»nur mit Schwertern geschmückte Pfähle«
gewesen, so steht er im Widerspruch mit
den zeitgenössischen Schriftstellern. Von der
Hauptsäule bei Eresburg wenigstens singt
ein namenloser, gewöhnlich Poöta Saxo
genannter, Dichter: Irminsul benannte das
Volk und verehrte als heilig ein in Säulen-
gestalt gen Himmel ragendes Bildwerk,
trefflicher Arbeit fürwahr und auch gar
herrlich gezieret.

Btldniss.
 
Annotationen