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Paul Schumann: Deutsche Kunst-Ausstellung in Dresden.
Dresden: Nibelungen-Zimmer, so genannt nach
dem Glasgemälde »Siegfried's Bestattung«.
Suchen wir nach einem gemeinsamen
Zug in den Zimmereinrichtungen, so ergibt
sich eine gründliche Abkehr von der früheren
Ueberladung mit Ornamenten, die Betonung
des Konstruktiven bei den einzelnen Möbeln
und das Streben nach malerischem Gesammt-
eindruck. Ein puritanischer Zug ist unver-
kennbar. Der Drechsler ist bei der Herstellung
der Möbel kaum noch betheiligt, der Holz-
bildhauer ausnahmsweise. An die Stelle der
gedrehten Säulen, Decken, Füsse, der ge-
schnitzten Figuren u. s. w. treten Malerei,
Intarsia, gestochene Ornamente, Verbindung
verschiedenfarbiger Hölzer, kurz alle die
Hilfsmittel der Flachornamentik, die auch in
früheren gleichartigen Perioden bevorzugt
wurden. Metallbeschläge bleiben, machen
aber den allgemeinen Zug der Einfachheit,
zur Glätte mit. Auf dem äussersten linken
Flügel stehen die Vereinigten Werkstätten,
B. PANKOK.
auf dem rechten Flügel mit einem Blick nach
rückwärts Otto Gussmann, die Mitte halten
etwa Martin Dülfer und H. E. v. Berlepsch.
Schwer zu sagen ist, ob man im Vergleich
mit den belgischen Zimmer-Ausstattungen von
1897 diesmal ein spezifisch deutsches Ge-
präge fesstellen darf. Die belgischen Zimmer
sind damals unverkauft geblieben, diesmal
sind schon mancherlei Verkäufe vollzogen
worden. Aber so bedeutend sind die Unter-
schiede doch nicht, dass man sagen müsste,
diesmal sei grundsätzlich das deutsche Be-
dürfniss berücksichtigt, 1897 nicht. Vielmehr
haben die belgischen Zimmer damals,, als
erste ganz moderne Möbel in Deutschland
Bresche geschossen; man weiss, dass in Berlin
jetzt van de Velde Mode geworden ist. Ein
Blick in die Geschichte des Kunstgewerbes
lehrt übrigens, dass zu allen Zeiten der Stil
international und nur national differenzirt
gewesen ist. In der Gothik gab der germa-
nische Norden, einschliesslich des fränkischen
Nordfrankreich den Ton an, in der
Renaissance herrschte Italien vor,
im 18. Jahrhundert Frankreich, gegen-
wärtig ist der puritanische Geist Eng-
lands massgebend geworden. Kon-
struktion und Dekoration sind die
beiden Pole, zwischen denen der
Möbelstil hin und her pendelt. Gegen-
wärtig herrscht, wie gesagt, das
Konstruktive, die Zweckmässigkeit
steht im Vordergrunde. Zwischen
diesem sachlichen Grundsatze und
der ebenso energisch geforderten
Betonung der Persönlichkeit des
Künstlers, die sich als Zug unserer
Zeit geltend macht, entsteht ein ge-
wisser Widerstreit, der sich nicht
selten als Willkür und Sucht, um
jeden Preis Ausserge wohnliches zu
bieten, offenbart. Hier setzt daher
auch mit Vorliebe der Spott über
die moderne dekorative Kunst, die
bildliche Karikatur ein. Das Indi-
viduelle wird zum Excentrischen,
die Zweckmässigkeit tritt zurück.
Den Ausgleich werden die Ab-
nehmer, die Besteller bringen. Nur
Lehnstuhl.das Individuelle, das zugleich zweck-
Paul Schumann: Deutsche Kunst-Ausstellung in Dresden.
Dresden: Nibelungen-Zimmer, so genannt nach
dem Glasgemälde »Siegfried's Bestattung«.
Suchen wir nach einem gemeinsamen
Zug in den Zimmereinrichtungen, so ergibt
sich eine gründliche Abkehr von der früheren
Ueberladung mit Ornamenten, die Betonung
des Konstruktiven bei den einzelnen Möbeln
und das Streben nach malerischem Gesammt-
eindruck. Ein puritanischer Zug ist unver-
kennbar. Der Drechsler ist bei der Herstellung
der Möbel kaum noch betheiligt, der Holz-
bildhauer ausnahmsweise. An die Stelle der
gedrehten Säulen, Decken, Füsse, der ge-
schnitzten Figuren u. s. w. treten Malerei,
Intarsia, gestochene Ornamente, Verbindung
verschiedenfarbiger Hölzer, kurz alle die
Hilfsmittel der Flachornamentik, die auch in
früheren gleichartigen Perioden bevorzugt
wurden. Metallbeschläge bleiben, machen
aber den allgemeinen Zug der Einfachheit,
zur Glätte mit. Auf dem äussersten linken
Flügel stehen die Vereinigten Werkstätten,
B. PANKOK.
auf dem rechten Flügel mit einem Blick nach
rückwärts Otto Gussmann, die Mitte halten
etwa Martin Dülfer und H. E. v. Berlepsch.
Schwer zu sagen ist, ob man im Vergleich
mit den belgischen Zimmer-Ausstattungen von
1897 diesmal ein spezifisch deutsches Ge-
präge fesstellen darf. Die belgischen Zimmer
sind damals unverkauft geblieben, diesmal
sind schon mancherlei Verkäufe vollzogen
worden. Aber so bedeutend sind die Unter-
schiede doch nicht, dass man sagen müsste,
diesmal sei grundsätzlich das deutsche Be-
dürfniss berücksichtigt, 1897 nicht. Vielmehr
haben die belgischen Zimmer damals,, als
erste ganz moderne Möbel in Deutschland
Bresche geschossen; man weiss, dass in Berlin
jetzt van de Velde Mode geworden ist. Ein
Blick in die Geschichte des Kunstgewerbes
lehrt übrigens, dass zu allen Zeiten der Stil
international und nur national differenzirt
gewesen ist. In der Gothik gab der germa-
nische Norden, einschliesslich des fränkischen
Nordfrankreich den Ton an, in der
Renaissance herrschte Italien vor,
im 18. Jahrhundert Frankreich, gegen-
wärtig ist der puritanische Geist Eng-
lands massgebend geworden. Kon-
struktion und Dekoration sind die
beiden Pole, zwischen denen der
Möbelstil hin und her pendelt. Gegen-
wärtig herrscht, wie gesagt, das
Konstruktive, die Zweckmässigkeit
steht im Vordergrunde. Zwischen
diesem sachlichen Grundsatze und
der ebenso energisch geforderten
Betonung der Persönlichkeit des
Künstlers, die sich als Zug unserer
Zeit geltend macht, entsteht ein ge-
wisser Widerstreit, der sich nicht
selten als Willkür und Sucht, um
jeden Preis Ausserge wohnliches zu
bieten, offenbart. Hier setzt daher
auch mit Vorliebe der Spott über
die moderne dekorative Kunst, die
bildliche Karikatur ein. Das Indi-
viduelle wird zum Excentrischen,
die Zweckmässigkeit tritt zurück.
Den Ausgleich werden die Ab-
nehmer, die Besteller bringen. Nur
Lehnstuhl.das Individuelle, das zugleich zweck-