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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 7.1900

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Zu Pützer's Charlottenburger Brücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.6699#0068

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Zu Pü/zer's Charlottenburger Brücke.

in den Wettbewerben um die Erweiterung
des Rathhauses in Aachen und die Bebau-
ung der Umgebung des Mainzer Schlosses
sich erst kürzlich allgemein und vortheilhaft
bekannt gemacht hat.

Die Charlottenburger Strasse erhält
wegen der grösseren Durchlass-Oeffnung eine
starke Aufschüttung und mithin eine häss-
liche konvexe Krümmung. Um die Wirkung
dieser nicht zu vermeidenden Unschönheit
nach Möglichkeit aufzuheben, gibt es nur
ein Mittel, die Ueberbauung des Höchst-
punktes der Strasse, um dadurch die Strasse
in zwei Theile zu zerlegen, von denen jeder
nun eine konkave Krümmung und einen
monumentalen Abschluss besitzt.

Dem Pützer'schen Plane liegt deshalb
die Idee zu Grunde, auf der Brücke einen
weiträumigen, mit einem mächtigen Stadtthor
und einer Säulenhalle verbundenen Ehren-
hof zu errichten, der mit Figuren und Er-
innerungstafeln ausgeschmückt, beim Eintritt
in die Stadt Charlottenburg zu festlichen
Empfängen u. S. w. vorzüglich geeignet wäre.
Dabei zeigt der Entwurf nach dem Urtheil
des Preis-Gerichts im Grossen und Ganzen
eine für den Verkehr zweckmässige und in
künstlerischer Beziehung ganz hervorragende
Arbeit bei meisterhafter Darstellung in Strich-
manier. Auch sind die architektonischen
Aufbauten für praktische Zwecke ver-
schiedener Art sehr geschickt ausgenutzt.

AlleAufbauten liegen derart, dass nirgend-
wo der Verkehr gestört wird. Hinter der
nördlichen Platzbegrenzung ist der Nebenfahr-
damm der Charlottenburger Strasse durch-
geführt, sodass auf diese Weise eine bedeu-
tende Entlastung der Hauptstrasse stattfindet
und der Last-Verkehr ganz von ihr fern-
gehalten werden kann. Die Platzwandungen
öffnen sich nach Süden hin, sodass dem

Wanderer der Blick auf das reiche Bild des
Thiergartens mit dem Landwehrkanal frei-
bleibt und auch dem von Süden Kommenden
das Brückenbild in der reichsten Gruppirung
sich darbietet. Der nördlichen Säulenhalle
ist eine Terrasse vorgelegt, die zu Ansprachen,
zur Versammlung der Festgebenden oder
Gäste benutzt werden kann, während das
übrige, dem Schauspiel beiwohnende Publikum
in der Säulenhalle, über derselben, auf den
Baikonen und Terrassen der Ostbauten sowie
des Westpavillons Platz finden kann. Die
Südwestecke flankirt ein mächtiger Roland,
als Symbol des Stadtrechtes.

Dem täglichen praktischen Zweck dienen
der Uhrthurm mit Glockenspiel, zugleich
als Aussichtsthurm zu benützen, sowie die
Pavillonbauten, die zu einer Trambahn-Warte-
halle, und einer Sanitätswache ausgenützt
sind. Die ganze Ausführung war in hellem
Sand- oder Kalkstein gedacht, die Laibungs-
flächen der grossen Bogenöffnungen sollen
reiche Mosaikbänder erhalten.

Die Architektur-Formen sind mit Rück-
sicht auf die freie Umgebung wuchtig und
schlicht, der ornamentale Reichthum soll dem
Ganzen einen festlichen Karakter geben.

Trotz dieser monumentalen Leistung
Pützer's, hat sich das Charlottenburger Stadt-
verordneten-Kollegium zur A usführung dieses
Planes nicht entschliessen können. Es hat
darum eine engere Konkurrenz unter den
drei preisgekrönten Architekten nochmals
ausgeschrieben bei der von einer Ueberbau-
ung der Strasse leider Abstand genommen
und die Betonung auf die Brückenränder
gelegt werden soll. Ob dabei wohl Besseres
herauskommen wird? — Jedenfalls hat Pützer
wiederum bewiesen, wie hervorragend er
gerade nach der Seite der karaktervollen
Ausgestaltung der Strassenbilder hin begabt ist.
 
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