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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 7.1900

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Rauschenberger, Walther: Professor Max Läuger Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6699#0249

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1 KARLSRUHS

In unserer Zeit der dahinbrausenden und
emporgährenden Kunst - Entwicklung
haben die »Jungen« das bequeme Bett des
Stil-Stromes und der Richtung schnürender
Schulregeln verlassen. Wie in echten »Hoch-
geziten« haben sie sich mit all ihren Wünschen
und Hoffnungen, ihrem Sturm und Drang,
ihrer Liebe und ihrem Hass in die vollen
Arme der ewig jungen Mutter Natur ge-
worfen, von der sie als keuschen Braut und
zugleich als aller Meister Meisterin die
Morgenröthe ausstrahlen sehen, die ein vor-
ahnender Spiegel des aufleuchtenden neuen
Kunst-Tages der nahen Zukunft sein soll.

In der bildenden Kunst haben hierbei
mit wenigen Ausnahmen die Maler die Führung
in die Hand genommen, während die Bildner
und Raumkünstler im Allgemeinen noch den
geschichtlichen Sinn auf ihre Werke wirken
lassen, ohne ihn als überlästigen Zwang zu
empfinden: Ein bezeichnetes Merkmal dieser
ganzen Bewegung, das vielleicht eine
kommende Zeit ihr als Stempel vor die Stirn
drücken wird. Als wahre Rittersleute haben
sie im Vollgefühl ihrer Persönlichkeit das
Herdenbewusstsein und den Herdenzwang
der alten Schulen und Genossenschaften ab-
geschüttelt, und sich auf den heiligen Berg
ihres eigenen Natur-Empfindens und inneren
Kunstgefühls zurückgezogen, um von dieser
Höhe aus zu kämpfen. Eine richtige secessio
in montem sacrum.

Im Widerstreit mit den Alten ist die
Farbe statt der Form aufs Banner geschrieben;
ist der Merkspruch aufgestellt, dass die
Kunst nichts Kleines und Grosses unter-
scheidet; ist die Wahrheit erkannt, dass ein
echtes Kunstwerk nicht in abstrakten Sphären
erwachsen kann, sondern ein konkretes Kind
seines Bodens sein, einen gesunden Erd-

1901. V 2

geruch an sich tragen muss. Licht, Haus,
Heimath: alte ostasiatische Weisheit in neuem
Gewände! Auch dies wird vielleicht die
Nachwelt als hervortretendes Merkmal an-
erkennen. In engster Umgebung, im Kreise
des Herdes, im Schmuck des Hausraths offen-
bart sich der neue künstlerische Zug, Ge-
sinnung und Stimmung mehr durch feine
Abtönung und Gegensatz der Farbe er-
weckend, als durch hohe Stilform. Wenn
wir dabei überhaupt von »Stil« im alten
Sinne reden können, so ist es der alte Unter-
grundstil der Heimath, der darin halb, ganz
unbewusst hervorbricht und uns anheimelt.
Ist die neue Weise auch übers Meer ge-
schwommen, so fangen unsere empfindungs-
vollen Künstler an, sie ins deutsche — nicht
zu übersetzen, das wäre verlorne Liebes-
müh' ! — aber umzugestalten, in einheimischer
Klangfärbung frisch ertönen zu lassen.

Bleibt die neue Richtung auf dieser
gesunden Bahn der heiligen künstlerischen
Dreifaltigkeit, so wird sie auch die Kinder-
krankheiten überwinden, von denen sie heute
nicht verschont geblieben ist. Jene halb- und
Viertelkünstler werden wieder von der Bild-
fläche verschwinden, die sich entweder voll
greisenhafter Angst, oder kindlicher Keck-
heit »zielbewusst« in die Bewegung gestürzt
haben, nur um mit dem Strome zu schwimmen;
die ihre Gedanken- und Gefühllosigkeit
hinter der »pikanten, nervösen, modernen«
Linien- und Geschmack-Verirrung verbergen;
und die die Reklamentrommel rühren, um
die Kritik zu tödten. Sie werden durch
Goethes Wort vernichtet: »Bilde, Künstler,
rede nicht! Nur ein Hauch sei Dein Ge-
dicht!«, zusammen mit den stolzen Vertretern
des Goethebundes. — Später wird man sich
wundern, wie ein solch' grosses Geschrei
 
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