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Rudolf von Larisch — Wien: Beispiele künstlerischer Schrift.
RUDOLPH MELTCHAR.
WIEN.
„Der Buchftabe, in einem Kunftwerke uerwendet, wird zum Ornament, und Ornamentik ift
Kunft. Im uerfloffenen Jahrhundert freilich fthrieb auf Kunftwerken nicht der Künftler'die
Schrift, fondern der Kalligraph. Diefe Zeit ift nun uorüber. Die erften Meifter bildender Kunft
uon heute haben die Schrift als unrkfames dekoratiues Moriu wiedererkannt, und fie uerwenden
fie auf ihren Hauptwerken mit dem gleichen künftlerifchen Ernft und Können, mit welchem fie
die Werke felbft fchaffen. £s gibt heute wieder eine hünftlerifche Schriftl
a a a Wie ein Frühlingshauch, hat die Moderne auf die Schrift gewirkt, fie ift nach langer
Formen-£rftarrung in mächtige Bewegung gerathen, fie lebt, fie blüht wieder. Und zu ihrem
Heile wird diefe Bewegung emporwachfen, wenn die Künftler allein die treibende Kraft
bilden. Hur der Künftler darf fchaffen, da wo Heues in der Kunft erftehen foll.
a a a Diefe Hnfchauungen im üereine mit den örundfätjen, welche ich in meiner 1899 er-
fchienenen Studie („Über Zierfchriften im Dienfte der Kunft", München, Jofeph Rlbert) aufge-
hellt habe, bildeten bei Herausgabe uorliegender Sammlung die Richtfchnur. Die Zuftimmung,
welche der Studie zu Theil geworden, ermuthigte mich, um üorbilder für hünftlerifche Schrifl
zu bitten.
« a « Bei den üorarbeiten war es um fo wichtiger, mit Bedachtfamkeit vorzugehen, als ich
die Überzeugung gewonnen hatte, dalj gerade die landläufigen Schriftuorlagen an der fchlechten
Schriftuertheilung in der uerfloffenen Epoche Schuld trugen und felbft heute noch großen Schaden
anrichten. Die Hebeneinanderftellung der 26 Buchftaben des Rlphabets, das R-B-C, uerleitet
nämlich den Kopirenden, die uon ihm herausgezeichneten Buchftaben in gleichen Rbftänden
neben einander zu reihen, alfo zur linearen Rbftands-Einzeichnung, als deren weiteres
Folgeübel fich die fchädigende Unterrichtsmethode des Einzeichnens in das „Retj" darfteilt.
Rudolf von Larisch — Wien: Beispiele künstlerischer Schrift.
RUDOLPH MELTCHAR.
WIEN.
„Der Buchftabe, in einem Kunftwerke uerwendet, wird zum Ornament, und Ornamentik ift
Kunft. Im uerfloffenen Jahrhundert freilich fthrieb auf Kunftwerken nicht der Künftler'die
Schrift, fondern der Kalligraph. Diefe Zeit ift nun uorüber. Die erften Meifter bildender Kunft
uon heute haben die Schrift als unrkfames dekoratiues Moriu wiedererkannt, und fie uerwenden
fie auf ihren Hauptwerken mit dem gleichen künftlerifchen Ernft und Können, mit welchem fie
die Werke felbft fchaffen. £s gibt heute wieder eine hünftlerifche Schriftl
a a a Wie ein Frühlingshauch, hat die Moderne auf die Schrift gewirkt, fie ift nach langer
Formen-£rftarrung in mächtige Bewegung gerathen, fie lebt, fie blüht wieder. Und zu ihrem
Heile wird diefe Bewegung emporwachfen, wenn die Künftler allein die treibende Kraft
bilden. Hur der Künftler darf fchaffen, da wo Heues in der Kunft erftehen foll.
a a a Diefe Hnfchauungen im üereine mit den örundfätjen, welche ich in meiner 1899 er-
fchienenen Studie („Über Zierfchriften im Dienfte der Kunft", München, Jofeph Rlbert) aufge-
hellt habe, bildeten bei Herausgabe uorliegender Sammlung die Richtfchnur. Die Zuftimmung,
welche der Studie zu Theil geworden, ermuthigte mich, um üorbilder für hünftlerifche Schrifl
zu bitten.
« a « Bei den üorarbeiten war es um fo wichtiger, mit Bedachtfamkeit vorzugehen, als ich
die Überzeugung gewonnen hatte, dalj gerade die landläufigen Schriftuorlagen an der fchlechten
Schriftuertheilung in der uerfloffenen Epoche Schuld trugen und felbft heute noch großen Schaden
anrichten. Die Hebeneinanderftellung der 26 Buchftaben des Rlphabets, das R-B-C, uerleitet
nämlich den Kopirenden, die uon ihm herausgezeichneten Buchftaben in gleichen Rbftänden
neben einander zu reihen, alfo zur linearen Rbftands-Einzeichnung, als deren weiteres
Folgeübel fich die fchädigende Unterrichtsmethode des Einzeichnens in das „Retj" darfteilt.