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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Rilke, Rainer Maria: Sonderheft: Heinrich Vogeler - Worpswede
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0033
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Heinrich Vogeler—Worpswede.

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seine eigene Entwickelung hat, so dass es
schien, als hörten seine Erlebnisse, deren
Erinnerung an diese blühenden und wel-
kenden und wieder blühenden Dinge ge-
bunden war, nicht auf, sich zu verändern,
als wüchsen sie, über ihr eigenes Dasein
hinaus, unter den gütigen Himmeln ruhig
weiter, gleich geliebten Verstorbenen, die
man plötzlich, durch den Schleier des Todes
hindurch, ruhig weiterwandeln sieht. Ihm
verging nichts mehr. In seinem Garten
blieb alles, was einmal dagewesen war,
und eine jede liebe und schöne Stunde war

wie Daphne und verwandelte sich in einen
Baum mit schlanken, dunklen Blättern,
die geheimnisvoll glänzten. Sein Leben
stand immer um ihn und er stand immer
mitten in seinem Leben. Das ist ganz
wörtlich zu nehmen; denn er war selbst der
Gärtner dieses Gartens, er setzte Bäume wie
man Buchstaben setzt, wenn man ein Buch
schreiben will, und wie Licht und Dunkel
gingen die Frühlinge und die Winter über
die Blätter dieses Buches. Und doch: dieser
Vergleich trifft nur eine Seite der Sache.
Über diesen Garten war ein sehr seltsamer

Heinrich vogkler—Worpswede.

Hansel und Gretel. Feder-Zeichnung.

1902, VII. 3.
 
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