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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Frank, W.: Architektonische Schmuckformen von Friedrich Adler
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0044

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Architektonische Schmuckformen von Friedrich Adler.

In einer Zeit, da die Kunstschreiberei an
einem hysterischen Superlativismus krankt
und mit den Maßstäben wie mit wertlosen
Schneider-Ellen exerziert, könnte wohl auch
Frdr. Adler, wie so mancher andere, irgend
eines Superlatives
füglich gewürdigt
werden. Doch der
Lobredner müsste
in Scham erröten,
wollte er dieser im
tiefsten Grunde
ernsten und fana-
tisch ehrlichen Ar-
beit mit Verbind-
lichkeiten kommen,
in denen doch, wie
in der abendlän-
dischen Galanterie
der Männer gegen
die Frauen, ein
gut Teil Gering-
schätzung verbor-
gen liegt. Oder
wenn es doch ohne
Superlativ nicht
abgehen soll, so
sage ich: Es gibt
nicht viele Künst-
ler, die auf die
kritische Höflichkeit und Schonung so wenig
angewiesen sind wie Friedrich Adler. Der
wahrhaft heilige Ernst, die geschmack-
volle Gediegenheit, der solide, künstlerische
Reichtum seines Schaffens empfehlen sich
von selbst, auch ohne Interpretation. Hinter
jedem Teilchen seiner Schöpfungen steht ein
Mann, ein braver, tüchtiger Arbeiter, dem
nichts ferner liegt als die dekorative Phrase,
ein Eiferer für jene neue Schönheit, die
Schönheit ohne Lüge, die von allen flatter-
haften Parasiten gereinigt, zum wahren Aus-
drucke unserer Zeit werden könnte.

Holz, Stein, Metall und die gefügigen
Stoffe der Plastik haben die Materialien zu
seinen Arbeiten hergegeben; und jedem
derselben ist er ohne puristische Zaghaftig-
keit, aber auch ohne tyrannische Willkür im
schönsten Maße gerecht geworden.

1905. VII. 6.

FRIEDRICH AULER—MÜNCHEN. Balkon mit Tür.

Das moderne Kunstgewerbe hat einen
starken Zug zum Universalismus ange-
nommen. Der heutige Handwerkskünstler
scheint in der Tat nur einen, wenn auch recht
bedeutenden, Gegenstand seines Schaffens

zu besitzen, das ist
das moderne Haus.
Möge er als Ar-
chitekt von aussen
anfangen, möge er
als Spezialist einen
noch so gering-
fügigen Gegen-
stand der inneren
Einrichtung mit
Beschlag belegen:
fast immer führen
ihn geheimnisvolle
Zusammenhänge
dem Ganzen zu.
Der Architekt wird
Kunstgewerbler,
der Spezialist wird
Architekt. Auch
Adlers Entwick-
lung kann als Be-
leg dieses Zusam-
menhanges gelten.
In einem früheren
Hefte dieser Zeit-

schrift, anlässlich der Turiner Ausstellung,
floss dem Berichterstatter die Prophezeiung
aus der Feder, dass man Adler wohl bald
auch als Architekten zu begrüssen haben
werde. Unsere heutigen Abbildungen be-
währen diese Voraussage. Denn, wenn sie
auch vorwiegend nur einzelne Details, liebe-
volle Ausgestaltungen baulicher Schmuck-
glieder bringen, so leuchtet doch ein, dass
ein ehrlicher Mann dabei nicht stehen bleiben
wird. Das Fenster, die Haustüre nehmen
ihren Mann bei der Hand und laden ihn mit
unabweisbarer Liebenswürdigkeit ein, ihnen
ins Zimmer, die Treppe hinauf, in das ge-
ordnete Labyrinth des Innern zu folgen. In
den Grundrissen muss er schliesslich erfüllen,
was er mit dem Balkonbogen und der Fenster-
Umrahmung versprach. Und Adler ist am
wenigsten der Mann, der einen Arm zeichnet,

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