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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Rosenhagen, Hans: Walter Leistikow - Berlin
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Stoeving, Curt: Ausstellung des Londoner Lyceum-Club in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0124

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Walter Leistikow. — Ausstellung des Londoner Lyceum-Club in Berlin.

diesen dunklen unbewegten, von kerzen-
graden rotstämmigen Föhren umstandenen
Seen schwebt, wie phantastisch die zackigen
Kronen dieser Bäume gegen den etwas
fahlen Himmel des Brandenburger Landes
stehen, wie vornehm kühl eine weisse Villa
zwischen den kahlen Stämmen leuchtet. Bei
jedem Spaziergange in der Umgebung
Berlins sieht jetzt selbst der ärgste Philister
lauter Leistikowsche Bilder. Die starke
Wirkung der Landschaften des Künstlers
beruht jedoch nicht allein hierauf, sondern
vor allem auf dem Temperament, das sich
in diesen Bildern äussert. Es drängt sich
nicht hervor, denn das melancholische Tem-
perament ist niemals laut. Wer aber die
Symptome kennt, hat keinen Zweifel daran,
dass hinter Leistikows Bilder, eine leiden-
schaftliche, sehnsüchtige Seele steht, dass
der sanfte Schwung der Ufer, diese Ver-
tikalen der nackten Baumstämme, diese
schwärzlichen Wipfel, diese grauen Lüfte
der symbolische Ausdruck schwermütiger
Empfindungen sind. Es ist kein Zufall, dass
unter den Bildern des Malers nur eine ver-
schwindende Zahl von sonnigen Landschaften
sich befindet, dass er für den Glanz und
die Pracht des Sommers nichts übrig

hat, dass die Sehnsuchtsstimmung der Vor-
frühlingstage, die resignierte Schönheit des
Herbstes, die Weltenferne des Hochgebirges
oder die Hoffnungslosigkeit der winterlichen
Natur ihn am meisten angezogen haben.
Aber nichts Grämliches und Selbstquäle-
risches ist in diesen Bildern, sondern ein
freier, stolzer und selbstgewisser Geist, der,
was er fühlt und leidet, gross zu sagen weiss.

Wenn diese starke Seele nicht wäre —
Leistikows Bilder würden mit der Zeit wahr-
scheinlich uninteressant geworden sein. So
aber hat der Künstler sich nicht nur auf der Höhe
seiner besten Leistungen erhalten, sondern
es scheint, als ob er sich noch immer weiter
entwickelte, als ob seine Kunst noch immer
feiner und reifer würde. Die stets vor-
treffliche künstlerische Haltung aber von
Leistikows Schöpfungen beruht darauf, dass
seine Absichten auf den Stil, auf die Ver-
einfachung, auf das Hervorheben der wesent-
lichen Züge immer Hand in Hand gingen
mit dem eifrigsten Naturstudium. Leistikows
zahllose, unmittelhar vor der Natur entstan-
denen ausgezeichneten Aquarelle sind die
beste Erklärung für die unerschütterliche
künstlerische Qualität seiner freien Schöp-
fungen, seiner Bilder. hans rosenhagen.

AUSSTELLUNG DES LONDONER LYCEUM-CLUB IN BERLIN.

Das Herüberfluten der künstlerischen
Produktion der Nachbarländer auf
Deutschland als verständnisvolles, aufnahme-
fälliges und empfangbereites Absatzgebiet
ist mehr als je Tatsache. Was zu uns kam
war meist an die führenden Künstlernamen
geknüpft und der wohl vorbereitete Ruhm
der uns besuchenden Gäste verschaffte ihren
Werken so viel Erfolg, dass auch die radi-
kalsten Antipathien überwunden worden sind.

Zum ersten Mal kommt ein fast unbe-
kannter Frauen-Club aus London, der sich
vor kurzem gegründet hat, zu uns und ent-
faltet eine, vom Zeitlauf glücklich unter-
stützte propagierende Tätigkeit für die höhere
künstlerische Würdigung des Frauentums als
schöpferische Kraft. Die Ziele sind weit
und mannigfach lockend und warben auch

hier mit Erfolg zu einem grossen inter-
nationalen Frauen-Club, der dem schwachen
Einzelnen starken Rückhalt an einer klug
gefestigten Organisation geben soll.

Als ersten Beweis, dass ein solches Zu-
sammengehen schon jetzt möglich ist, ver-
anstaltet der Londoner Lyceum-Club seine
erste kunstgewerbliche Ausstellung in Berlin
(nicht in London) und wählte dazu als ge-
eignetste Stelle die Abteilung moderner
Wohnräume des zur weitesten Propaganda
berufenen grossen Warenhauses A. Wertheim.

Das Verdienst der glühend enthusiastischen
unermüdlichen Unternehmerin und Leiterin
des ganzen Planes, der Hon. secr. Fräulein
Constance Smedley, können die ausstellenden
britischen Künstlerinnen, können aber auch
die Gründerinnen des Berliner Lyceum-Clubs,

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