Friedrich Adler—München.
""»Haustor«, in dessen Umrahmung auch ein
■ Fenster des ersten Stockwerkes mit ein-
bezogen ist, schachteln sich die Steine mit
wuchtender Schwerkraft tief in einander ein,
leiten in gefälliger Verjüngung empor, um
im Schlussstein des Bogens einen gewaltigen
Abschluss zu erfahren. Darauf stützt sich
dann die leichtere Fenster-Umrahmung, die
in ihrem dreieckigen Bett wie in Abrahams
Schoss geborgen liegt. Der äussere Seiten-
schub dieses Aufbaues wird von elastischen
Konturlinien überzeugend aufgenommen.
Während hier die ganze Konstruktion
breit auf der Erde lastet, hebt das »Portal
mit Oberlicht« seinen Schwerpunkt kraftvoll
Mvom Boden weg, fast über die halbe Höhe
des Ganzen hinaus. Die Quader kleiden
sich hier in disziplinierte, geometrische
Grundformen, nehmen in der Höhe des Tür-
FKIEDRICH ADLER—MÜNCHEN.
abschlusses gleichsam einen Anlauf und ent-
laden all ihr verhülltes Streben nach Schön-
heit und Aussprache in den gotisch reichen
Verschlingungen, die zwischen den fünf
Spitzen der Bekrönung ihr Spiel treiben.
Auf diese Spitzen senkt sich die endlich be-
freite Schönheit des plastischen Lebens wie
ein brillantes St. Elms-Feuer herab. Das ist
ein Umklammern und Umschlingen, ein
Schieben und Stemmen, ein Krabbeln und
Greifen wie mit hundert emsigen Wurzel-
füßchen. Man denkt an knorrigen Efeu,
an einen wilden Weinstock. Man denkt an
gotische Fialen mit Krabben und Kreuz-
blumen. Aber Adlers abstrakte Gebilde
haben nur die Essenz des vegetativen Lebens,
nur die Feierlichkeit und den Stolz der Fiale
aufgenommen, ohne die zufällige Gestalt
einer Pflanze oder die traditionelle Form
der Fiale nachzuahmen.
Dass diesem dumpfen pla-
stischen Leben gleichwohl
ein emsiges Naturstudium
zu Grunde liegt, erkennt
der Kundige auf den ersten
Blick. — Ich habe vorhin da-
von gesprochen, dass Adler
gezwungen sein dürfte, Ar-
chitekt zu werden, um
seinen Lösungen baulicher
Schmuck-Glieder auch einen
passenden Körper zu geben.
Vielleicht aber wäre es
n och begrüssen s werter, wenn
dieser enragierte Künst-
ler einen Techniker fände,
der ihm das Material zu
seinem kräftigen Charak-
terisierungs - Bedürfnis in
einwandfreier Gestalt an
die Hand gäbe. Es gibt
ohne Zweifel tüchtige Ar-
chitekten, die bei solcher
Arbeitsteilun g Wesentliches
gewinnen könnten. Gesün-
der wäre sie jedenfalls als
der jetzt herrschende Uni-
versalismus, der an den
Einzelnen übermäßige For-
derungen Stellt. W. FRANK.
433
Haustor in Sandstein.
""»Haustor«, in dessen Umrahmung auch ein
■ Fenster des ersten Stockwerkes mit ein-
bezogen ist, schachteln sich die Steine mit
wuchtender Schwerkraft tief in einander ein,
leiten in gefälliger Verjüngung empor, um
im Schlussstein des Bogens einen gewaltigen
Abschluss zu erfahren. Darauf stützt sich
dann die leichtere Fenster-Umrahmung, die
in ihrem dreieckigen Bett wie in Abrahams
Schoss geborgen liegt. Der äussere Seiten-
schub dieses Aufbaues wird von elastischen
Konturlinien überzeugend aufgenommen.
Während hier die ganze Konstruktion
breit auf der Erde lastet, hebt das »Portal
mit Oberlicht« seinen Schwerpunkt kraftvoll
Mvom Boden weg, fast über die halbe Höhe
des Ganzen hinaus. Die Quader kleiden
sich hier in disziplinierte, geometrische
Grundformen, nehmen in der Höhe des Tür-
FKIEDRICH ADLER—MÜNCHEN.
abschlusses gleichsam einen Anlauf und ent-
laden all ihr verhülltes Streben nach Schön-
heit und Aussprache in den gotisch reichen
Verschlingungen, die zwischen den fünf
Spitzen der Bekrönung ihr Spiel treiben.
Auf diese Spitzen senkt sich die endlich be-
freite Schönheit des plastischen Lebens wie
ein brillantes St. Elms-Feuer herab. Das ist
ein Umklammern und Umschlingen, ein
Schieben und Stemmen, ein Krabbeln und
Greifen wie mit hundert emsigen Wurzel-
füßchen. Man denkt an knorrigen Efeu,
an einen wilden Weinstock. Man denkt an
gotische Fialen mit Krabben und Kreuz-
blumen. Aber Adlers abstrakte Gebilde
haben nur die Essenz des vegetativen Lebens,
nur die Feierlichkeit und den Stolz der Fiale
aufgenommen, ohne die zufällige Gestalt
einer Pflanze oder die traditionelle Form
der Fiale nachzuahmen.
Dass diesem dumpfen pla-
stischen Leben gleichwohl
ein emsiges Naturstudium
zu Grunde liegt, erkennt
der Kundige auf den ersten
Blick. — Ich habe vorhin da-
von gesprochen, dass Adler
gezwungen sein dürfte, Ar-
chitekt zu werden, um
seinen Lösungen baulicher
Schmuck-Glieder auch einen
passenden Körper zu geben.
Vielleicht aber wäre es
n och begrüssen s werter, wenn
dieser enragierte Künst-
ler einen Techniker fände,
der ihm das Material zu
seinem kräftigen Charak-
terisierungs - Bedürfnis in
einwandfreier Gestalt an
die Hand gäbe. Es gibt
ohne Zweifel tüchtige Ar-
chitekten, die bei solcher
Arbeitsteilun g Wesentliches
gewinnen könnten. Gesün-
der wäre sie jedenfalls als
der jetzt herrschende Uni-
versalismus, der an den
Einzelnen übermäßige For-
derungen Stellt. W. FRANK.
433
Haustor in Sandstein.