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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Michel, Wilhelm: Münchner Graphik: Holzschnitt und Lithographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0053

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Wilhelm Michel: Holzschnitt und Lithographie.

martha cunz—st. gallen. Orig.-Holzschn.:'Frühlingstag.

Uberall ist die Materie das Vehikel des
Geistigen. Und jede Entwicklung im Reiche
der Kultur, des Geistes, vermag sich nur
durch den Beifall des materiellen Lebens
endgültig zu legitimieren. So haben zuguter-
letzt auch Umstände technischer Art zu dem
rüstigen Vormarsche der Graphik beigetragen.

Die Möglichkeit unbeschränkter Auflagen
erhöht die Rentabilität des graphischen Kunst-
werkes bedeutend. Der verhältnismäßig

niedrige Preis der Blätter — niedrig gegen-
über ihrem schmückenden Effekt und ihrem
ästhetischen Lustertrag — reizt die Kauflust
des Publikums, das naturgemäß lieber ein
Original - Kunstwerk als die Reproduktion
eines Ölbildes erwirbt, ganz abgesehen
davon, dass letztere doch nur einen blassen
Eindruck des Originales geben kann. Als
Wandschmuck endlich erfüllen die Erzeug-
nisse der Original-Graphik ihren Zweck besser
als jedes andere Werk der bildenden Kunst.
Die karge Stilistik der heutigen Innen-Ein-
richtung verlangt als Kulmination ein Werk
des Stiles, keinen Natur - Ausschnitt. Ihre
vornehme Besonnenheit in Formen und
Farben erträgt den aristokratischen Holz-
schnitt wesentlich leichter als das schwere,
lebenstrotzende Ölbild. Das Ölbild stellt
Ansprüche an seine Umgebung, die nicht
immer so rasch erfüllt sind. Die Zeiten sind
vorbei, in denen man ein Gemälde in be-
liebigem Rahmen ohne weiteres an die Wand
hängte. Die Möbelstücke bilden heute mit
der immer lieber angewandten Wand-Ver-
kleidung eine Welt für sich, deren berechnete
Silhouette nicht beliebig unterbrochen werden
darf. Das Ölbild will in den Raum ein-
gegliedert, einkomponiert werden, und selbst
dann besteht noch die Gefahr kakophonischer
Stildissonanzen: in unsere einfachen, höchstens

harry schultz—münchen.

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Original-Lithographie: Bauernhaus.
 
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