Dr. Max Osborn—Berlin:
fassens, des scheinbar naiven, in Wahrheit
wohlerwogenen Reduzierens aller Erschei-
nungen auf ein paar sparsame charakteristische
Striche, und die geschmackvolle Beimischung
weniger, sorgfältig gewählter, klug mit
einander abgestimmter Farben, die eine
mehr sekundäre Rolle spielen, aber die
Pikanterie des Eindrucks noch erhöhen. In
solcher Weise entwarf Craig seine Skizzen
für Bühnen - Aufführungen. Im Mai 1900
trat er zum ersten Mal bedeutsam hervor,
und zwar mit der Inszenierung der Oper
»Dido und Aeneas« von Henry Purcell,
einem englischen Komponisten des sieb-
zehnten Jahrhunderts, den man in London
vor zehn Jahren, gelegentlich der zweiten
Säkularfeier seines Todes 1895, unter dem
Einfluss der archaistischen Strömung mit
besonderer Begeisterung wieder aufs Piede-
stal hob, und zu dessen höherem Ruhm sich
bald darauf eine eigene »Purcell Operatic
Society« bildete. Sodann hat Craig vor
allem Ibsens »Nordische Heerfahrt« in London
inszeniert und damit zumal seinen Namen
allgemein bekannt gemacht. Er hat ferner
592
eine grosse Zahl von Entwürfen für die Auf-
führung Shakespearescher Stücke, sowie für
eine Reihe sogenannter »Masques« ge-
schaffen, Mischungen aus Pantomime, Ballet
und Ausstattungs - Stück, die Craig sich
nach altenglischen Mustern aus der Tudor-
zeit selbst ersann.
Ich muss nun bekennen, dass ich kein
Drama in der Inszenierung von Craig mit
eigenen Augen gesehen habe und mich nur
an das halten kann, was von seinen Arbeiten
an Original - Zeichnungen sowie in Natur-
Aufnahmen nach den Aufführungen selbst
mir zu Gesicht gekommen ist. Das ist aller-
dings nicht wenig. Zunächst erkennt man
den jungen Engländer daraus als höchst
aparten und geistreichen Zeichner. Seine
Hilfsmittel beschränken sich auf die chine-
sische Tusche und einige Aquarellfarben,
die hier und da zu aufmunternden zarten
Flecken verwandt werden. Was er uns da-
mit aufs Papier zaubert, ist von ausser-
ordentlichem Reiz. Gestalten aus erträumten
Phantasiewelten, die mit der Wirklichkeit
nur durch dünne Fäden verbunden sind,
fassens, des scheinbar naiven, in Wahrheit
wohlerwogenen Reduzierens aller Erschei-
nungen auf ein paar sparsame charakteristische
Striche, und die geschmackvolle Beimischung
weniger, sorgfältig gewählter, klug mit
einander abgestimmter Farben, die eine
mehr sekundäre Rolle spielen, aber die
Pikanterie des Eindrucks noch erhöhen. In
solcher Weise entwarf Craig seine Skizzen
für Bühnen - Aufführungen. Im Mai 1900
trat er zum ersten Mal bedeutsam hervor,
und zwar mit der Inszenierung der Oper
»Dido und Aeneas« von Henry Purcell,
einem englischen Komponisten des sieb-
zehnten Jahrhunderts, den man in London
vor zehn Jahren, gelegentlich der zweiten
Säkularfeier seines Todes 1895, unter dem
Einfluss der archaistischen Strömung mit
besonderer Begeisterung wieder aufs Piede-
stal hob, und zu dessen höherem Ruhm sich
bald darauf eine eigene »Purcell Operatic
Society« bildete. Sodann hat Craig vor
allem Ibsens »Nordische Heerfahrt« in London
inszeniert und damit zumal seinen Namen
allgemein bekannt gemacht. Er hat ferner
592
eine grosse Zahl von Entwürfen für die Auf-
führung Shakespearescher Stücke, sowie für
eine Reihe sogenannter »Masques« ge-
schaffen, Mischungen aus Pantomime, Ballet
und Ausstattungs - Stück, die Craig sich
nach altenglischen Mustern aus der Tudor-
zeit selbst ersann.
Ich muss nun bekennen, dass ich kein
Drama in der Inszenierung von Craig mit
eigenen Augen gesehen habe und mich nur
an das halten kann, was von seinen Arbeiten
an Original - Zeichnungen sowie in Natur-
Aufnahmen nach den Aufführungen selbst
mir zu Gesicht gekommen ist. Das ist aller-
dings nicht wenig. Zunächst erkennt man
den jungen Engländer daraus als höchst
aparten und geistreichen Zeichner. Seine
Hilfsmittel beschränken sich auf die chine-
sische Tusche und einige Aquarellfarben,
die hier und da zu aufmunternden zarten
Flecken verwandt werden. Was er uns da-
mit aufs Papier zaubert, ist von ausser-
ordentlichem Reiz. Gestalten aus erträumten
Phantasiewelten, die mit der Wirklichkeit
nur durch dünne Fäden verbunden sind,