Moderne Bauten an alten Strassen.
gebnis in dieser Hinsicht bleibt: y>Auch das
16. fahr hundert stellte seine Bauten in
keckem Selbstbewusstsein neben Bauwerke
der früheren Epochen. Und dieses Selbst-
bewusstsein erreicht nach und nach im
18. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Rück-
sichtsloser, insbesonderefeindlicher dem Alten
■war kaum je ein Jahrhundert als dieses. Zu-
nächst darf allerdings der Einwurf gelten:
Der Gegensatz des Rokoko zu Barock, ja selbst
zu den Bauten und Formen der Renaissance,
ist kein so grosser und für alle auffälliger.
Manche Häuserreihe in den älteren Teilen
unserer alten Handels- und Residenzstädte
gibt deshalb auf unsere neue Frage nur
eine feinpointierte aber unklare Antwort, aus
der der eine ein ent-
schiedenes Ja, der an-
dere ein zweifelhaftes
Nein heraushören kann.
Dennoch gibt gerade
das frühe 18. Jahrhun-
dert in seinen feinst-
gebildeten Vertretern
auf unsere Frage, ob
Modernes neben Alten
stehen darf, eine Ant-
wort, die an Klarheit
nichts zu wünschen
übrig lässt. — Die welt-
klugen Fürsten, die
grundgelehrten, klar-
schauenden Bischöfe
jener Zeit waren es ge-
rade, die an die ernsten
Bauten der romanischen
oder gotischen Zeit —
ihre heiteren Paläste
modernster Bauart an-
bauen Hessen oder sie
doch in eine solche
Nähe brachten, dass
das Auge die Kontraste
bemerken musste. Wer
es vergessen hat, der
wandere nur wieder
einmal durch die alten
Bischofssitze und be-
wundere die Dome von
Bamberg oder Fulda
190.Y X. 3.
oder Würzburg oder Residenzstädte, wie
Stuttgart, und überall und aus allen Zeiten
in denen die Städte geblüht, wird man
»moderne« Bauten neben alten, -»moderne«
Häuser an alten Strassen und Plätzen finden.
Und wem es schwer fällt, in den Strassen die
Häuser nach Jahrhunderten und Stilen zu
sondern, der wird leicht mit besonderer Freude
bemerken, wie der Hausbesitzer des 18. Jahr-
hunderts seine Modernität wenigstens durch
Anbau eines Erkers im Zeitgeschmack zu doku-
mentieren suchte. Er kannte nicht die schul-
meisterliche Scheu vor der Modernisierung
eines vielleicht gar 2 Jahrhunderte alten Baues.
Nur in einer Richtung ging die Rück-
sichtslosigkeit jener aufgeklärteren Zeit zu
EDWARD GOR DON CRAIG.
Entwurf für ein Tanz-Kostüm in »Viel Lärm um Nichts«.
6ll
gebnis in dieser Hinsicht bleibt: y>Auch das
16. fahr hundert stellte seine Bauten in
keckem Selbstbewusstsein neben Bauwerke
der früheren Epochen. Und dieses Selbst-
bewusstsein erreicht nach und nach im
18. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Rück-
sichtsloser, insbesonderefeindlicher dem Alten
■war kaum je ein Jahrhundert als dieses. Zu-
nächst darf allerdings der Einwurf gelten:
Der Gegensatz des Rokoko zu Barock, ja selbst
zu den Bauten und Formen der Renaissance,
ist kein so grosser und für alle auffälliger.
Manche Häuserreihe in den älteren Teilen
unserer alten Handels- und Residenzstädte
gibt deshalb auf unsere neue Frage nur
eine feinpointierte aber unklare Antwort, aus
der der eine ein ent-
schiedenes Ja, der an-
dere ein zweifelhaftes
Nein heraushören kann.
Dennoch gibt gerade
das frühe 18. Jahrhun-
dert in seinen feinst-
gebildeten Vertretern
auf unsere Frage, ob
Modernes neben Alten
stehen darf, eine Ant-
wort, die an Klarheit
nichts zu wünschen
übrig lässt. — Die welt-
klugen Fürsten, die
grundgelehrten, klar-
schauenden Bischöfe
jener Zeit waren es ge-
rade, die an die ernsten
Bauten der romanischen
oder gotischen Zeit —
ihre heiteren Paläste
modernster Bauart an-
bauen Hessen oder sie
doch in eine solche
Nähe brachten, dass
das Auge die Kontraste
bemerken musste. Wer
es vergessen hat, der
wandere nur wieder
einmal durch die alten
Bischofssitze und be-
wundere die Dome von
Bamberg oder Fulda
190.Y X. 3.
oder Würzburg oder Residenzstädte, wie
Stuttgart, und überall und aus allen Zeiten
in denen die Städte geblüht, wird man
»moderne« Bauten neben alten, -»moderne«
Häuser an alten Strassen und Plätzen finden.
Und wem es schwer fällt, in den Strassen die
Häuser nach Jahrhunderten und Stilen zu
sondern, der wird leicht mit besonderer Freude
bemerken, wie der Hausbesitzer des 18. Jahr-
hunderts seine Modernität wenigstens durch
Anbau eines Erkers im Zeitgeschmack zu doku-
mentieren suchte. Er kannte nicht die schul-
meisterliche Scheu vor der Modernisierung
eines vielleicht gar 2 Jahrhunderte alten Baues.
Nur in einer Richtung ging die Rück-
sichtslosigkeit jener aufgeklärteren Zeit zu
EDWARD GOR DON CRAIG.
Entwurf für ein Tanz-Kostüm in »Viel Lärm um Nichts«.
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