E. W. Bredt
edward gordon craig. Kostüm-Entwurf für »Die Nordische Heerfahrt«.
weit. Sie setzte nicht nur keck das Neue neben
Altes, sondern erklärte allem »Gotischen«,
so hiess alles, was nicht mehr dem herrschen-
den Geschmack sich anpassen Hess, Vernich-
tung. So wurde viel schönes Altes zerstört
und nur auf anderem Wege und auf naivere
Weise wurde im Jahrhundert der grossen
Revolution im künstlerischen Städtebild eine
»Egalisierung« erreicht, die uns als Freunde
auch guter alter Dinge bedauerlich erscheinen
mag. Wenn auf diese künstlerische Tendenz
des Jahrhunderts der Aufklärung, das nur
für seine Kunst Raum schaffte und allem
Hergebrachten Feind war, die Reaktion
sofort gefolgt wäre, so wäre das verständ-
licher. Aber erst das romantische 19. ]ahr-
612
hundert, das so historisch sein wollte und so
unhistorisch war, hielt sich für unberechtigt,
neben die Bauten alter Zeiten Dokumente
eigenen Geistes in neuer baukünstlerischer
Form zu setzen. Dafür maßte es sich mehr
an, als jedes Jahrhundert zuvor: es glaubte,
indem es alte Formen, erst weniger treu, dann
äusserlich genauer kopierte, die Fähigkeit zu
besitzen, alter Zeiten Geist in Formen, deren
Entwicklung abgestorben, erstehen lassen zu
können. So entstanden im 19. Jahrhundert
in den vielfachen Restaurationen alter Kunst-
denkmäler ungewollte Fälschungen in solcher
Zahl und Art, wie sie die Kunstgeschichte
früherer Jahrhunderte glücklicherweise nur
als Ausnahmen kennt. Allerdings der Kreis
edward gordon craig. Kostüm-Entwurf für »Die Nordische Heerfahrt«.
weit. Sie setzte nicht nur keck das Neue neben
Altes, sondern erklärte allem »Gotischen«,
so hiess alles, was nicht mehr dem herrschen-
den Geschmack sich anpassen Hess, Vernich-
tung. So wurde viel schönes Altes zerstört
und nur auf anderem Wege und auf naivere
Weise wurde im Jahrhundert der grossen
Revolution im künstlerischen Städtebild eine
»Egalisierung« erreicht, die uns als Freunde
auch guter alter Dinge bedauerlich erscheinen
mag. Wenn auf diese künstlerische Tendenz
des Jahrhunderts der Aufklärung, das nur
für seine Kunst Raum schaffte und allem
Hergebrachten Feind war, die Reaktion
sofort gefolgt wäre, so wäre das verständ-
licher. Aber erst das romantische 19. ]ahr-
612
hundert, das so historisch sein wollte und so
unhistorisch war, hielt sich für unberechtigt,
neben die Bauten alter Zeiten Dokumente
eigenen Geistes in neuer baukünstlerischer
Form zu setzen. Dafür maßte es sich mehr
an, als jedes Jahrhundert zuvor: es glaubte,
indem es alte Formen, erst weniger treu, dann
äusserlich genauer kopierte, die Fähigkeit zu
besitzen, alter Zeiten Geist in Formen, deren
Entwicklung abgestorben, erstehen lassen zu
können. So entstanden im 19. Jahrhundert
in den vielfachen Restaurationen alter Kunst-
denkmäler ungewollte Fälschungen in solcher
Zahl und Art, wie sie die Kunstgeschichte
früherer Jahrhunderte glücklicherweise nur
als Ausnahmen kennt. Allerdings der Kreis