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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Bredt, Ernst Wilhelm: Moderne Bauten an alten Straßen?: Alle Antworten auf eine neue Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0229

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E. W. Bredt:

nur achten, wenn sie echt, wird wachsen
und mit ihr wird die Zahl der Bewunderer
abnehmen. Nürnberg kann als warnendes
Beispiel dienen, welche Vergeudungen an
Arbeit, Material und Vermögen die An-
schauung mit sich bringt: ein altes Stadt-
oder Baubild dulde kein Neues. — Wenn
Nürnberg, das bereits neben den modernen
Abguss eines barocken Brunnens die niegel-
nagelneue und neu ergänzte Kopie des »alten
schönen Brunnens« gestellt, nun auch ein
ganzes altes Haus neu als »wirksame Kulisse«
aufgebaut haben wird, dann dürfte die kost-
spielige Lächerlichkeit der Anschauung —
»nichts Neues neben Altes« in einem be-
sonders lehrhaften Schildbürgerstücklein wohl
ihr letztes Stadium erreicht haben. Denn
weiter lässt sich die Tendenz der Unter-
drückung eigenen Bildungsvermögens zu
Gunsten der Imitation und Reparation des
Alten nicht treiben. — Ein Gegenstück so
extremer Art ist in den
früheren, altertumsfeind-
lichen Jahrhunderten gar
nicht zu finden. Gewiss,
alte Wand - Malereien
wurden mit »modernen«
übermalt, das Innere der
Säle und Kirchen wurde
modernisiert, alte Türme
erhielten wohl auch eine
»moderne« Kuppel —
aber man sah doch nichts
störendes, wenn etwa der
moderne Palast an einen
romanischen Dom ange-
baut war. Die kuriose
Nürnberger Idee, einen
alten, noch dazu künst-
lerisch und kunsthisto-
risch wertlosen Bau an
der Stelle wieder nach-
zubauen, an der er früher
stand, hilft also die Be-
jahung unserer Frage
noch nachdrücklicher
aussprechen. — Günstiger
als die Nürnberger Ten-
denz ist dagegen die Ent-
schliessung der Münch-
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craig: Caliban in Shakespeares: »Der Sturm

ner Künstlerkommission, die eine moderne
Pfeilerfassade in einer älteren Strasse nicht
gestattete, nach dem historischen Rückblick
zu beurteilen. Die Verwerfung der Pfeiler-
fassade ist nur das eigentlich Bedauerliche,
weil die Lösung der Pfeilerfassade eines
Warenhauses auch durch Messel noch nicht
zu aller Zufriedenheit gelöst ist und die sel-
tene Gelegenheit zu vollkommenerer Lösung
einem Architekten nicht hätte entzogen
werden sollen. — Was aber die Ablehnung
einer Pfeilerfassade mit der Motivierung
einer altertümlichen Nachbarschaft anlangt,
so muss darauf aufmerksam gemacht werden,
dass die betreffende Strasse, abgesehen von
einer bemerkenswerten kleinen Kirchen-
fassade, nicht gerade altertümlich genannt
werden kann; bietet sie doch fast mit jedem
Hause Material zur Geschichte praktischer
Umbauten älterer Häuser durch Ausbrechen
der unteren Fassadenwände, Einziehung von
Schienen und stelzen-
artigen Pfeilern. — Mehr
als von der also ziem-
lich unmotivierten Er-
schwerung der Aufgabe
zu erwarten, ist dennoch
die Lösung geglückt.
Wenigstens ist die Ver-
wendbarkeit des Hauses
nicht beeinträchtigt wor-
den und der kleineren
Kirche kein erdrücken-
der Nachbar erwachsen.
Aber eine altertümelnde
Note ist nun doch für
immer der Lösung einer
durchaus modernen Auf-
gabe nicht abzusprechen
und dieser Zwang eines
künstlerischen Kompro-
misses hätte sich um-
gehen lassen, wenn man
nur die rein ästhetische
Forderung, der Rück-
sichtnahme auf ein klei-
neres , wertvolles Ge-
bäude , hätte gelten
lassen. Eine rein ästhe-
tische Rücksichtnahme,
 
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