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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Bredt, Ernst Wilhelm: Moderne Bauten an alten Straßen?: Alle Antworten auf eine neue Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0230

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Moderne Bauten an alten Strassen.

durch die wir Altem und Neuem gleichzeitig
dienen, bedeutet hier einen Fortschritt. Hin-
derlich ist also nur die archaisierende Tendenz.
Unser historischer Rückblick erinnert ja daran,
wie einst auch wandlose Pfeilerbauten neben
Fensterfassaden errichtet wurden, ohne dass
wir dies nun beklagen müssten. Wesshalb
musste nun hier, abgesehen von der ästhe-
tischen Forderung, dem Architekten auch
noch die Befolgung einer Tendenz, die das
Alte bevorzugt und dem Neuen nicht volles
Künstlerrecht gibt, zur Pflicht gemacht wer-
den? Es ist schade, dass trotz günstiger
Raumverhältnisse, die eine Pfeilerfassade für
einen grossen Gebäudeteil gestatteten, ein
moderner Bau von unserer Zeit sagen muss,
das Alte hatte mehr Recht auf unbekümmerte
Existenz als das Neue. Solche Anschauung
wirkt hemmend, keines der vorreaktionären
Jahrhunderte hat sie gekannt. Wenn die
Architekten früherer Jahrhunderte das Neue
immer an das Alte hätten anpassen wollen,
wenn sie immer Kontraste gescheut, wie
viel weniger hätten sie Vollendetes, Eigenes
geschaffen, wie viel weniger reizvoll, ja wie
langweilig würden die Städtebilder wirken.

Die Antwort, die uns der kurze Rück-
blick auf die Frage gibt, darf Modernes neben

Altem stehen, ist also ein sehr bestimmtes
und freudiges fa. Nie dränge uns die Nähe
eines älteren künstlerischen Gebäudes von
der Lösung der eigentlich zeitgemässen Auf-
gabe ab, je resoluter wir auf diesem Wege
fortschreiten um so eher finden wir für
unsere Zeit eine vollkommene künstlerische
Form. Zweifellos wird sich auch wieder die
gesunde Anschauung, die die Jahrhunderte
vor der grossen künstlerischen Reaktion
leitete, allgemeine Geltung verschaffen und
das Selbstbewusstsein fortschrittlicher Städte
wird wieder künstlerische Gestalt annehmen.
Es kommt nur darauf an, dass das neue
Wohn- oder Geschäftshaus, der Palast oder
das Theater, oder der Zierbrunnen ebenso
viel formal und künstlerisch für unsere Zeit
bedeutet, wie für seine Zeit das alte Gebäude,
das alte grosse oder kleine Kunstdenkmal
bedeutete, neben das das neue Werk kommen
soll. Künstlerisches neben Künstlerisches,
d. h. Eigenes der einen Zeit neben Eigenes
der andern Zeit, das ist die Hauptsache aller
Lehren aus den besten alten Städtebildern.
— Nur die alte Maske, die Imitation, diener-
haftes Abgucken ehrt nicht die alten Monu-
mente und beleidigt die Neue Zeit, die eigene
Zeugen hinterlassen muss. d*- e. w. bredt.

edward gordon craig.

Robespierre.
 
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