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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Högg, Emil; Stoeving, Curt: A. Wertheim - neue Wohn-Räume, neues Kunstgewerbe - dem Hause eigen: nach Entwürfen von Künstlern, unter Leitung von Prof. Curt Stoeving
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0259

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Prof. Curt Stoeving:

PROK. CÜRT STOEVING.

Galerie für das Kunstgewerbe.

Sämtliche Werke gesetzlich geschützt.

wirklich gelang, meisterliche Vollendung dem
ganzen Werke zu geben.

Diese Frage nach dem Eigenen, was
Raumkünstler ihren Werken geben können,
ist schliesslich wie in allen lebendigen Zeiten
auch jetzt wieder der Maßstab für unsere
Bemühungen, auch in diesem Falle, wo das
ganz freie künstlerische Schalten zu Gunsten
praktisch-kaufmännischer Gesichtspunkte be-
dingt war. Was gemeinhin als Formen-
sprache des Einzelnen bezeichnet wird, ist
nicht das Entscheidende und je sicherer
und selbständiger und reifer man ist, desto
leichter wird man charakteristischer Einzel-
formen entraten können zu Gunsten einer
anderen persönlichen Charakteristik. Diese
ist es, die unbewusst dem Beschauer und
Bewohner eines Raumes z. B. das volle Ge-
fühl des Wohlbehagens, der Heiterkeit oder
des Festlichen einzugeben, alle Nuancen der
Raumbestimmung zwanglos auszusprechen
vermag, ohne doch Auge und Gefühl zu
unterjochen und zu verblüffen. Das ist recht
eigentlich das Problem, das die hier errich-

teten mannigfachen Räume zu lösen suchen.
— Wir müssen nun immer neuen Zweck-
bestimmungen, neuen Lebensformen unsere
Räume nachschaffen, aber nur, wenn dies in
freier zwangloser, treffender Weise gelungen
ist, werden wir von künstlerischen Lösungen
reden. — Können nun schöne erhaltene
Werke früherer Zeit uns wahrlich gute Lehr-
meister sein, o wie oft weht der lebendige
Atem begnadeter Kunst noch nach vielen
Jahrhunderten uns aus ihnen begeisternd zu;
zuerst und vor allem sind sie es darin, dass
sie auszusprechen wussten mit eigenem
Klange, was ihrer Zeit gehörte, aber arme
Anleihen an frühere Perioden verachteten.
Es gibt Viele, die unsere neuen Lösungen
verdächtigen als kulturfeindlich und traditions-
fremd, aber mich dünkt, dem Faden der
Tradition und lebendigen Entwicklung folgen
wir nur, wenn wir lernen, wie grosse Künstler
schufen, um mit eignen Mitteln unseren
eignen Weg zu finden, den einzigen Weg,
Eignes wahr zu gestalten und so uns selbst
zu uns zu erwecken. Ist das nicht das

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